Justiz

Familiendrama in Neustadt: Vater gewürgt und fast geköpft?

Ein 57-jähriger Winzer aus Neustadt soll seinen Vater in einer Dezembernacht 2023 zunächst gewürgt und dann seinen Kopf fast vollständig abgetrennt haben. Seit Montag muss er sich in Frankenthal vor Gericht verantworten

Von 
Agnes Polewka
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Rainer K. mit seinen Verteidigern Steffen Lindberg (r.) und Alexander Kiefer (l.). © Agnes Polewka

Frankenthal. Winzer Rainer K. wirkt wie ein netter Kerl. Es fällt leicht, sich K. im Wingert vorzustellen oder im Weinkeller und dabei, wie er ein bescheidendes, bodenständiges Leben führt, in einem Häuschen, das er einst kaufte, um ein Zuhause für seine Familie zu schaffen. Und doch sitzt er am Montag im größten Sitzungssaal des Frankenthaler Landgerichts. Denn Rainer K. soll seinen Vater getötet haben. Laut Anklage würgte er den 88-Jährigen, anschließend trennte er den Kopf des Seniors fast vollständig ab. Nur wenige Stunden später fuhr K. zur Polizei in Neustadt und gestand die Tat auf der Wache. Was war passiert? Warum könnte er seinen Vater getötet haben? Auf diese brutale Art und Weise?

Mindestens fünf Jahre Freiheitsstrafe drohen

„Was ich getan habe, bereue ich innigst“, sagt der 57-Jährige am Montag vor Gericht. „Wenn ich die Zeit zurückschrauben könnte, würde ich das tun - aber das geht leider nicht.“ Rainer K. sagt, er habe die Tat nicht geplant, und bis heute könne er nicht glauben, was er getan habe. Er blickt starr auf die Tischplatte vor sich, wirkt wie gelähmt, fast schon apathisch. Die Anklage lautet auf Totschlag, im Falle einer Verurteilung drohen ihm mindestens fünf Jahre Freiheitsstrafe.

Fast sein ganzes Leben lang hat Rainer K. in Neustadt gelebt, regelmäßig besuchte er sein Elternhaus, das er als ein friedvolles, behagliches Zuhause beschreibt. Nach dem Abitur machte er eine Ausbildung zum Winzer und studierte danach Weinbau. Anfang der 2000er wurde er Vater, die Beziehung mit der Mutter seines Sohns ging in die Brüche, seit zehn Jahren ist er wieder in einer Beziehung, mit der Frau sei er verlobt, so schildert es der 57-Jährige. Seine Eltern beschreibt er als fürsorglich, vor allem den Vater, der „vom Anfang bis zum Schluss an meiner Seite war“. Auch nach dem Tod der Mutter, die sich an Weihnachten 2019 bei einem Treppensturz so schwer verletzte, dass sie wenig später starb, sei der Kontakt eng geblieben.

Mord und Totschlag

  • Ursprünglich ging die Anklage im Fall des getöteten 88-Jährigen von Mord aus. Aufgrund einer ergänzenden Stellungnahme eines Sachverständigen wurde der Fall von der Strafkammer „nur“ als Totschlag zur Hauptverhandlung zugelassen.
  • Mord und Totschlag basieren beide auf einer vorsätzlichen Tötung.
  • Liegen besonders verwerfliche Begleitumstände vor, wird mindestens ein sogenanntes Mordmerkmal erfüllt – zum Beispiel Habgier oder Grausamkeit – spricht man von Mord.

Am Wochenende aßen die Männer gemeinsam zu Mittag, an den anderen Tagen telefonierten sie regelmäßig. Der Vater sei fit gewesen, habe sich selbst versorgen können. Doch das änderte sich im Winter 2023, sagt Rechtsanwalt Steffen Lindberg, einer von Rainer K.s Verteidigern. Der 88-Jährige stürzte auf der Kellertreppe und baute zunehmend ab. Die Vollzeitpflege des Mannes wurde mehr und mehr zum Thema, am 27. Dezember habe K. ein Pflegeheim besichtigt. Und die Familie dachte darüber nach, eine Pflegekraft in Vollzeit ins Haus des 88-Jährigen zu holen. Bis dahin halfen Rainer K. und sein Sohn dem Senior bei der Bewältigung des Alltags. Auch am 28. Dezember, dem Tag, bevor der 88-Jährige starb.

Mit einem Küchenmesser wurde der Vater getötet

„Mein Mandant wollte bei seinem Vater übernachten, um ihm zu helfen“, sagt Lindberg. K. sei am Abend noch einmal nach Hause gefahren, weil er ein Ladekabel und Wechselkleidung vergessen habe. Als er zurückgekehrt sei, kreisten K.s Gedanken laut Lindberg wieder und wieder um die Pflegeproblematik.

Wie würde das mit einer Pflegerin klappen? Lindberg beschreibt, wie sein Mandant in der Nacht vom 28. auf den 29. Dezember rastlos durch sein Elternhaus gewandert sei. An dem Abend sei Rainer K. der Vollmond draußen aufgefallen, daran könne er sich noch gut erinnern, so Lindberg. An das, was danach folgte, kaum. Der Vater sei auf die Toilette gegangen, und K. selbst sei irgendwann im Schlafzimmer des 88-Jährigen gestanden. Zwischen beiden habe es ein Gespräch gegeben, worum es sich drehte, weiß K. laut Lindberg nicht mehr.

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An einen Satz könne sich sein Mandant aber noch gut erinnern. Und zwar, wie er selbst sagte: „Du hast eh keine Lust mehr, du hast es bald geschafft.“ Dann seien da die blauen Lippen des Vaters in der Erinnerung seines Mandanten, ein Knacken, ein Gefühl der Angst, Angst, der Vater könne unter Schmerzen leiden, dem er darauf wuchtig in den Hals geschnitten habe, um ihn „von den Schmerzen zu erlösen“. Danach habe K. die Beerdigung seines Vaters planen wollen, doch dann habe er zum Handy gegriffen und Nachrichten an seine Verlobte und den Sohn geschrieben, sich entschuldigt. Anschließend fuhr er zur Polizei und stellte sich.

Am Montag sind im Gerichtssaal Fotos zu sehen, die Beamte nach ihrer Ankunft am Tatort gemacht haben, darauf liegt der Senior in seinem Bett, sorgfältig zugedeckt. Laut Anklage starb der Mann an einer Kombination aus Ersticken und Blutverlust. Weitere Bilder lassen die schweren Verletzungen erahnen, ihr Anblick ist teilweise nur schwer zu ertragen. Eine Kripo-Beamtin, die mit der Spurensicherung betraut war, spricht von geradlinigen Schnitten entlang des Halses, die auch Adern, Wirbelsäule und Luftröhre durchtrennt hätten. Auf anderen Bildern ist die Tatwaffe zu sehen, ein Küchenmesser, mit dem Rainer K. seinen Vater getötet haben soll.

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