Geothermie - Wie MVV und EnBW die Region künftig mit Fernwärme versorgen wollen – als Ersatz fürs Grosskraftwerk

Ersatz fürs Grosskraftwerk Mannheim: Fernwärme aus 3500 Metern Tiefe

Von 
Bernhard Zinke
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Mit solchen Bohrköpfen dringen Unternehmen zu heißen Quellen in Tiefen von bis zu 3500 Metern vor. © Uwe Anspach/DPA

Rhein-Neckar. Kohle als Lieferant für Fernwärme in der Metropolregion wird in nicht allzu ferner Zeit Geschichte sein. Das ist beschlossene Sache. Ersatz sollen unter anderem heiße Quellen tief unter der Metropolregion liefern. Die Energieversorger MVV und EnBW, die schon beim Grosskraftwerk Mannheim Partner sind, wollen nun über das gemeinsame Unternehmen GeoHardt diese Quellen anzapfen. Geschäftsführer Matthias Wolf rechnet damit, dass eine erste Anlage 2025 oder 2026 ans Netz gehen und Fernwärme einspeisen könnte. Deren thermische Leistung ist mit 30 Megawatt geplant. Weitere Anlagen sollen folgen. Sie wären dann ein Ersatz fürs Grosskraftwerk zumindest im Bereich der Fernwärme.

Das Unternehmen will sich die geologische Besonderheit des Oberrheingrabens zunutze machen. Wie Untersuchungen ergeben haben, gibt es in rund 3500 Metern Tiefe Schichten, die Wasser mit einer Temperatur von bis zu 160 Grad Celsius führen. Das Wasser soll in einem geschlossenen Kreislauf nach oben gepumpt und an der Erdoberfläche über Wärmeüberträger ins Netz abgegeben werden.

Die Vorzugsgebiete in der Region

  • Nach Voruntersuchungen und der Auswertung bereits existierender Datensätze hat das Unternehmen GeoHardt in der Metropolregion drei Vorzugsgebiete definiert. Dort könnten sich nach dessen Annahmen Geothermiekraftwerke lohnen.
  • Am aussichtsreichsten bewertet das gemeinsame Unternehmen der beiden Energieversorger MVV und EnBW einen Bereich, der die Gemarkungen von Mannheim, Brühl, Ketsch, Schwetzingen, Plankstadt, Heidelberg und Oftersheim.
  • Ein weiteres geologisches Vorzugsgebiet liegt rund um die Stadt Hockenheim.
  • Weiteres Potenzial sehen die GeoHardt-Fachleute im Bereich Oftersheim, Sandhausen und Leimen.
  • In beiden letzteren Gebieten gibt es aber kein Fernwärmenetz.

Besonders ergiebige heiße Wasservorkommen vermutet GeoHardt in einem rund 60 bis 70 Quadratkilometer großen Bereich zwischen Mannheim und Heidelberg. In dem Bereich liegen auch Flächen der Kommunen Brühl, Ketsch, Schwetzingen, Plankstadt und Oftersheim. „Dieses Potenzialgebiet ist das vielversprechendste, weil hier neben sehr guten geologischen Voraussetzungen auf eine fundierte Datenlage aufgebaut werden kann, sagt der Geologe Thomas Kölbel vom GeoHardt-Projektteam.

Messwagen unterwegs

Um nun das tatsächliche Potenzial auszuloten, werden voraussichtlich im Winter Messwagen in diesem Bereich unterwegs sein. Diese werden Schallwellen in den Untergrund aussenden und so eine dreidimensionale Struktur des Bodens zeichnen können. So kann das Unternehmen erkennen, an welcher Stelle sich Bohrungen am ehesten lohnen. Dabei werde auch großer Wert darauf gelegt, die Belastungen für die Natur und Anwohner so gering wie möglich zu halten.

Nun stößt Geothermie nicht überall auf große Begeisterung. In der Südpfalz gab es rund um Geothermie-Kraftwerke nach Erdbeben und Setzrissschäden geharnischte Gegenwehr. Eine Bürgerinitiative kämpft mit Macht gegen das Wiederanfahren des Kraftwerks in Lan-dau, im Stadtrat bröckelt der Widerstand allerdings angesichts neuer Expertisen und neuen Fragen zur Energieversorgung.

„Das Verfahren ist technisch beherrschbar und bei richtiger Anwendung nahezu risikofrei. Es hat sich auf diesem Sektor ungeheuer viel getan in den vergangenen Jahren“, sagt Matthias Wolf. Ursache der Erdbeben in Landau seien Undichtigkeiten gewesen, wodurch Thermalwasser unkontrolliert ausgelaufen sei. Das sei mit aktueller Technik absolut vermeidbar. In Frankreich seien noch viel weitergehende Verfahren gebräuchlich gewesen, die sich vom Vorhaben in der Metropolregion deutlich unterschieden. Die französischen Geothermieprojekte hätten mit einem Druck von bis zu 150 bar auf das Grundgebirge eingewirkt, um Fließgeschwindigkeiten des heißen Wassers zu erzwingen. Da habe man zu tief und mit zu viel Druck gearbeitet. „Unsere Bohrungen reichen erst gar nicht ins Grundgebirge hinein“, versichert Matthias Wolf. Diese festen Gesteinsschichten beginnen in der Metropolregion erst ab 4000 Metern Tiefe. Außerdem gehe es GeoHardt ausschließlich um die Gewinnung von Wärme fürs Fernwärmenetz. Bei den ersten Anlagen werde nichts verstromt und auch zunächst kein Lithium gefördert, versichert Wolf.

Bürger einbinden

Wert legt das Unternehmen aber auch auf die Einbindung der betroffenen Anwohner. Deshalb startet GeoHardt ein Dialogforum mit 50 nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Bürgern aus den sieben Städten. Diese bekommen Post von ihren Einwohnerämtern und werden gefragt, ob sie an den Informationsrunden teilnehmen möchten. 21 Bürgerinnen und Bürger sind schon gefunden. Die Gruppe wird am 21. Juli in Schwetzingen erstmals zusammenkommen. Nach der Sommerpause sollen dann Experten in öffentlichen Foren die Fragen der Bürgerinnen und Bürger beantworten. „Für uns ist es wichtig, die zentralen Fragen und Anliegen der Bürgerinnen und Bürger frühzeitig und umfassend aufgreifen zu können“; sagt Wolfs Geschäftsführer-Kollege Stefan Ertle. Die Bürgerinnen und Bürger werden das Projekt nicht verhindern können, sagt Matthias Wolf. Das werde aber vermutlich auch nicht der Fall sein. Man wolle transparent arbeiten, alle Chancen und Risiken offen besprechen. Man werde aber den Empfehlungen der Bürger folgen, soweit das möglich sei.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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