Weltnichtrauchertag

Eine Lungenkrebspatientin berichtet: Doris Kampf gegen den Lungenkrebs

Schockdiagnose in Heidelberg: Wie Doris ihren Lungenkrebs besiegte. 80 Prozent aller Fälle kommen vom Rauchen.

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Stefanie Ball
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Minderjährige Schüler rauchen auf dem Pausenhof einer Schule Zigaretten. © Patrick Pleul/Zentralbild/dpa

Tauber-Odenwald. Im Sommer vor sechseinhalb Jahren hatte Doris eine Erkältung. Der Husten hielt sich hartnäckig. Doris, deren Namen wir für diese Geschichte geändert haben, suchte ihre Hausärztin auf, die hörte die Lunge ab und sagte: „Da ist ein Geräusch, das nicht dorthin gehört.“ Sie schickte Doris zum Lungenfachmann, der sollte eine Röntgenaufnahme machen.

Die damals 63-Jährige dachte, wahrscheinlich eine Entzündung. Doch dann ruft sie der Arzt ins Besprechungszimmer, Doris sieht die Röntgenaufnahme und ruft: „Ach du Scheiße“. Was sie auf dem Bild sieht, erkennbar auch für einen Laien, ist etwas, das da auf keinen Fall hingehört, ein kleiner Klumpen, vielleicht drei oder vier Zentimeter groß. Doris weiß sofort, was das heißt, und dann sagt es auch der Arzt: „Ein Tumor, es tut mir leid.“ Einen Tag später hat sie einen Termin in der Heidelberger Thoraxklinik. Weitere Untersuchungen folgen. Doris hat Glück, es haben sich noch keine Metastasen gebildet, und sie kann, weil sie ansonsten gesund ist, sofort operiert werden.

Claudia Bauer-Kemény leitet an der Heidelberger Thoraxklinik ein Tabakpräventionsprogramm, die ohnekippe-Klassenzimmershow. © Stefanie Ball

Der Tumor wird entfernt, zunächst muss sie alle drei Monate zur Nachkontrolle, dann alle sechs Monate. Inzwischen ist der Check-up nur noch einmal im Jahr. Wie es aussieht, ist Doris noch einmal davongekommen. Das Rauchen hat sie aufgeben. 45 Jahre hat sie geraucht, jeden Tag ein bis zwei Packungen. Ihr Vater hat geraucht und ist mit 77 an Blasenkrebs gestorben. Ihre Schwägerin hat geraucht und ist im vergangenen November mit Ende 50 an Lungenkrebs gestorben. Als Doris mit siebzehneinhalb Jahren anfängt zu rauchen, findet ihre Mutter das okay. „Meine Schwester hat die Zigaretten für meinen Vater gerollt, die Ausschussware, was nicht so gut gerollt war, bekam ich.“

12.000 chemische Verbindungen im Tabakrauch

Claudia Bauer-Kemény ist Zahnärztin und leitet an der Thoraxklinik die Ambulanz für Tabakentwöhnung. Sie kennt Doris aus der Zeit, als diese in Heidelberg in Behandlung war. Bauer-Kemény hat außerdem viel mit Schulklassen zu tun. Aus dem gesamten Bundesgebiet nehmen Schülerinnen und Schüler an der „ohnekippe-Klassenzimmershow“ teil, um sich über die Gefährlichkeit des Rauchens zu informieren.

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Interview: Über die große Gefahr von E-Zigaretten

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Stefanie Ball
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Für Bauer-Kemény ist die Sache klar: „Rauchen ist tödlich. Punkt.“ Im Tabakrauch seien insgesamt bis zu 12.000 verschiedene chemische Verbindungen enthalten, und nahezu jedes Organ des Körpers könne Schäden davontragen. So gelte Tabakrauch als wichtigster vermeidbarer Risikofaktor für chronische, nicht übertragbare Krankheiten. 80 Prozent aller Lungenkrebsfälle und 90 Prozent aller COPD-Fälle seien auf Tabakkonsum zurückzuführen. Zudem hätten Raucher im Vergleich zu Nichtrauchern ein mehr als doppelt so hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfälle.

Hoher Nikotingehalt in E-Zigaretten

Das eigentliche Problem aber sei die Sucht, die durch das Nikotin verursacht werde. Die Tabakindustrie behauptet in großformatigen Anzeigen, die sie etwa in Zeitschriften schaltet, dass Nikotin keinen Krebs verursache. Tatsächlich ist Nikotin nicht als krebserzeugend klassifiziert. Das große Schadenspotenzial liegt laut Bauer-Kemény jedoch in seinem hohen Abhängigkeitspotenzial und dass es bei Jugendlichen die Gehirnentwicklung beeinträchtigen könne. Deshalb sei die E-Zigarette auch so gefährlich, weil diese genauso schnell süchtig mache wie herkömmliche Zigaretten. Oft werde der wahre Nikotingehalt auch verschleiert oder falsch auf der Verpackung deklariert. Fatal, weil sich gerade Kinder und Jugendliche von den süßen Aromen, die den E-Zigaretten in Tausenden von Varianten beigemischt seien, angesprochen fühlten. Sie stünden deshalb in der Gefahr, schnell süchtig zu werden.

Auch E-Zigaretten sind eine Gefahr für die Gesundheit. © Marijan Murat/dpa/dpa-tmn

Gesundheitsschädigend seien E-Zigaretten obendrein. Denn werden die Liquids, die aus einem Gemisch von Glyzerin, Propylenglykol, Aromastoffen sowie meist Nikotin bestehen, erhitzt, entstünden gesundheitsschädliche und krebserzeugende Substanzen. Das Gleiche gilt nach Angaben der Zahnärztin für Snus und Nikotinbeutel, die zwischen Zahnfleisch und Ober- oder Unterlippe platziert werden. Sie enthielten Tabak (Snus) oder ein Pulver aus Nikotinsalzen, Zellulose und Aromastoffen. Zwar seien Snus und Nikotinpouches in Deutschland verboten, übers Internet ließen sich die Pouches jedoch problemlos beziehen. Bauer-Kemény hat es mit Kollegen ausprobiert. „Wir haben bei verschiedenen Händlern bestellt, nirgendwo gab es eine Altersabfrage oder wurde der Import nach Deutschland untersagt.“

Beeinflusst durch Prominente in den sozialen Medien

Den Schülerinnen und Schüler seien diese Gefahren kaum bewusst, merkt Bauer-Kemény immer wieder. „Die nehmen die neuartigen Nikotinprodukte als trendy und harmlos wahr.“ Einen Grund für die Beliebtheit sieht die Zahnärztin in der Nutzung durch Prominente in den sozialen Medien. So würden mehr als 40 Prozent der bekanntesten deutschen Rap-Musiker in den sozialen Medien für E-Zigaretten oder Shisha-Tabak werden. Die Produkte trügen meist die Namen der Künstler und seien oft mit einem Foto oder als Comicfigur auf der Verpackung abgebildet. Auf diese Weise werde ein Bild von „Genuss“ und „Lifestyle“ vermittelt. „Das trägt dazu bei, dass Jugendliche den Eindruck gewinnen, Rauchen habe keine ernsten gesundheitlichen Konsequenzen.“

Doris sagt, sie habe gewusst, dass Rauchen nicht gesund sei. „In der Verwandtschaft hieß es immer: ,Wenn du zu viel rauchst, spuckst du Blut‘.“ Doch sie raucht weiter und mit ihr die halbe Familie. Zweimal in den mehr als vier Jahrzehnten versucht Doris aufzuhören. Sie klebt sich Entwöhnungspflaster auf den Oberschenkel und reißt es nach drei Tagen wieder ab. Erst mit der Schockdiagnose Krebs gelingt ihr der Ausstieg aus der Abhängigkeit.

Laut Bauer-Kemény möchte die Mehrheit der Raucher das Rauchen eigentlich beenden, aber nur sechs Prozent unternähmen pro Jahr einen Ausstiegsversuch. „Ohne professionelle Unterstützung schaffen nur drei bis fünf Prozent der aufhörwilligen Raucherinnen und Raucher den dauerhaften Rauchstopp.“ Doris sagt, sie sei froh, dass sie nicht mehr raucht, dass sie nicht mehr rauchen muss. Ihre Schwester ist noch voll dabei, wie ihr Vater rollt sie ihre Zigaretten – wie viele, das wisse sie wohl selbst nicht. „Sie sagt: ,Doris, das ist Mist, aber ich schaffe das nicht.‘“

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