Weinheim. Besuch bei Ellen Müller und Rainer Stadler in ihrem Hofladen im Weinheimer Stadtteil Sulzbach: Der gelernte Industriemeister und die examinierte Krankenschwester machen seit einigen Jahren durch ihre gemeinsame Liebe zur Quitte von sich reden, jener goldgelben Frucht, die unter den Obstsorten immer noch ein Außenseiterdasein führt, weil sie zwar zum Anbeißen aussieht, aber in rohem Zustand nicht zu genießen ist. Dafür entfaltet sie nach ihrer Reife und Verarbeitung ein ganzes Arsenal an Aromen, das vonErdbeere über Apfel, Pfirsich bis Ananas reicht.
Die Anregung, diese wunderbare Frucht mit all ihren Facetten wieder zu kultivieren, lieferte Müller und Stadler die „Quittenfibel“ der Biologin Monika Schirmer. Akribisch forschten die beiden Quereinsteiger in Baumschulen nach seltenen Quittensorten.
Zusammen mit dem Umwelt- und Grünflächenamt der Stadt Weinheim kamen im Laufe der Jahre immer mehr ökologische Ausgleichsflächen als Ersatz für erschlossene Baugebiete zusammen, die die beiden für ihr Quittenprojekt pachteten. Ihre Quittenprodukte fanden großen Anklang und erreichten – durch Publikationen in einschlägigen Gourmet-Magazinen – sogar die Sterneküche. Ein renommierter Bensheimer Sekthersteller verarbeitete ihre Früchte zu einem alkoholfreien Secco.
Jetzt wurden Ellen Müller und Rainer Stadler für den Ceres-Award 2022 nominiert. Mit diesem Preis kürt die Zeitschrift „Agrar heute“ die besten Landwirte des Jahres.
Antrag auf Anerkennung nötig
Wir sitzen bei strahlendem Sonnenschein im idyllischen Hof des Anwesens. Während Rainer Stadler eisgekühlte Quittenschorle ausschenkt, erzählt er von einer wichtigen Voraussetzung, die sie erfüllen mussten, um überhaupt an der Ausschreibung teilnehmenzu können. „Wir mussten bei der Landwirtschaftsbehörde den Antrag stellen, als offizielle Landwirte anerkannt zu werden“, obwohl die beiden mittlerweile eine Plantage von 700 Quittenbäumen mit 70 Sorten bewirtschaften. Jetzt freuen sie sich, dass sie mit ihremQuittenprojekt zu den 30 Nominierten für den Ceres-Award gehören.
Eines der wichtigsten Qualitätsmerkmale ihrer Produkte ist sicherlich der Verzicht auf Zusatzstoffe und das Einsetzen von Apfel-Pektin als Ersatz für Konservierungsmittel. „Demnächst werden uns fachkundige Juroren besuchen, um sich vorOrt ein Bild über unseren Betrieb zu machen“, erzählt Rainer Stadler, der schon ein bisschen aufgeregt ist, wenn er daran denkt.
Dass es nicht einfach ist, allein von der Quittenproduktion zu leben, mussten die beiden Geschäftspartner in den 13 Jahren seit Bestehen ihres Betriebes schon des Öfteren erfahren. Während des Corona-bedingten Lockdowns blieb zum Beispiel die Stammkundschaft des Hofladens völlig aus.
„Man kann uns schon als Idealisten bezeichnen“, sagt Ellen Müller, die auf ihre neue Idee zu sprechen kommt, die sie mit einem Arsenal an Gewürzen und Salzen verwirklicht hat. Ein optisches und geschmackliches Highlight sind ihr Zitronenpfeffer oder ihr südafrikanisches „Chakalaka“. „Alles natürlich in Bioqualität“, betont sie.
Die Ideen gehen ihnen nicht aus: Als nächstes Projekt schwebt ihnen für die Sommermonate die Eisproduktion vor. „Wir haben neben der Quittenplantage noch eine Reihe anderer Obstbäume. Auch unsere Nuss-Sorten würden sich für Speiseeis hervorragend eignen“, schwärmt Rainer Stadler, der alle Arbeitsschritte auf dem Feld, auch die Ernte, im Alleingang absolviert. „Ich habe da mein Schema, mit dem ich gut zurechtkomme“, sagt er und schaut auf die Uhr.
Hohe Standgebühren
Es ist Zeit, die Produkte vorzubereiten, die sie am nächsten Tag bei der „Odenwald-Country-Fair“ im Eulbacher Jagdschloss präsentieren wollen. Gerne wären sie mit ihrem Quittenprojekt öfter bei den großen Genussmessen vertreten, doch allein die Standgebühren übersteigen meistens ihr Budget. Trotzdem verlieren die beiden Quereinsteiger ihren Optimismus nicht. Ihr größter Traum wäre es, ein Hofcafé zu eröffnen. „Meine Quitten-Sahnetorte hat jedenfalls schon so manchen Hofladen-Besucher verzaubert“, sagt Ellen Müller lachend.
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