Religion - Herz-Jesu-Priester arbeiten seit 100 Jahren in Neustadt und bieten außergewöhnliche Seminare an / Festakt am Samstag

Ein Kloster mitten im Leben

Von 
Simone Jakob
Lesedauer: 
Pater Gerd Hemken ist der Rektor des Herz-Jesu-Klosters und begrüßt gerne viele Menschen in der Kirche. © Venus

Neustadt/Weinstraße. Der Wind peitscht Schneeflocken gegen die Fenster des Gästehauses. Tiefe dunkle Wolken hängen über dem Pfälzerwald. „Sonst kann man von hier oben bis nach Mannheim, Heidelberg und an die Bergstraße sehen“, erzählt Pater Gerd Hemken und lässt seinen Blick schweifen. Als sich ein Regenbogen über das Tal spannt, strahlt der Geistliche: „Das passt wunderbar zu unserem Ehrentag“, findet der Rektor des Herz-Jesu-Klosters in Neustadt, das seinen 100. Geburtstag feiert. Als Gründungstag gelte der 28. Januar 1920, denn an diesem Tag wurde die erste Heilige Messe gefeiert - in einem Gartenhaus.

Überhaupt ist im „Rabennest“ - wie Neustadter Bürger die Niederlassung der Herz-Jesu-Priester anfangs spöttisch nannten - einiges anders, als man es in einem Kloster erwarten würde. „Von ,Der Name der Rose’ sind wir ziemlich weit weg. Einen Kreuzgang gab es bei uns noch nie“, erzählt der Pater. Und wer in Neustadt Mauern wie bei Umberto Eco erwartet, wird enttäuscht. So wirkt das helle Gästehaus mit 70 Zimmern, elf Tagungsräumen, Meditationsbereich, Gastronomie und dem Pfalzkeller wie ein modernes Hotel. „Wir sind eine Ordensgemeinschaft, die mitten im Leben steht, kein abgeschlossener Ort.“

So sei die Niederlassung immer als Ort der Einkehr und als Exerzitien- und Bildungshaus gedacht gewesen. „Angefangen hat alles damit, dass die Neustadter Bürger das Kloster nicht in der Stadt haben wollten. Aber hier oben gab es den stillgelegten Steinbruch Kastanienberg, den die Ordensbrüder in den 1920er Jahren günstig erwerben konnten.“ Nur ein schmaler Sandweg führte zu einem Verwaltungsgebäude und dem kleinen Gartenhaus im Schatten hoher Felswände. „Auf dem riesigen Freigelände wurde später eine Bühne gebaut, denn Volksschauspiele galten in den Anfangsjahren des Klosters als beliebtes Mittel der Verkündigung.“ So seien „Der verlorene Sohn“, „Moses“ und „Jedermann“ aufgeführt worden. Rund 125 000 Menschen seien damals auf den Klosterberg gekommen.

Erst wandern, dann Gottesdienst

Später fallen einzelne Sonnenstrahlen durch die Kirchenfenster und tauchen den Chorraum in ein warmes orangefarbenes Licht. „Das sind die Flammenzungen des brennenden Dornbuschs“, erklärt der Pater beim Rundgang, warum die Fenster hinter dem Altar den Blick sofort gefangen nehmen. Eigentlich ist die heutige Kirche nur die Krypta, „darüber sollte eine riesige Basilika entstehen, aber ein Jahr nach Baubeginn war das Geld aus.“ Heute kämen viele Menschen, weil sie die verlässlichen Gottesdienstzeiten im Kloster schätzten. „Am Sonntag gehen manche erst wandern und besuchen dann um 17 Uhr die Eucharistiefeier bei uns“, sagt der Pater.

Auf der Rückseite des Bildungshauses steht ein grünes, halbrundes Gebäude, das an einen Flugzeughangar erinnert. Die „Hallenkirche“ riecht ein bisschen muffig und bietet bis zu 500 Menschen Platz. Hier werden einmal im Monat Pilgersonntage mit einer Prozession durch den Klosterpark gefeiert. „Das geht auf den Zweiten Weltkrieg zurück. So hat der damalige Rektor gelobt, der Marienverehrung einen Tag zu widmen, wenn das Kloster verschont bleibt“, schildert Hemken. Eine Tradition, die heute noch gepflegt wird: „Wenn in der Halle alle singen, ist es eine wundervolle Atmosphäre, obwohl man sich das beim Anblick der leeren Reihen kaum vorstellen kann.

Als Pater zu erkennen sind die Brüder übrigens nur an ihrem Anhänger - einem Kreuz mit Herz in der Mitte. „Die Kleidung ist bei uns ebenso wenig vorgeschrieben wie die Beschäftigung. Alle hier verbindet die Spiritualität, nicht die Arbeit. Deshalb tut jeder das, wofür er Talent hat.“ Bruder Josef Faath arbeite im „Fundraising Office“ und organisiere die meditativen Wanderungen „Beten mit den Füßen“.

Ideen, um Menschen anzusprechen haben die Patres viele: „Wir sind das einzige Kloster mit einem Natur-Seminarraum, bieten Theologie am Grill an, und die besten Glaubensgespräche führe ich im Fitnessstudio unten in der Stadt“, verrät Hemken. „Zudem haben wir alle ein Handy und sind bei Facebook und WhatsApp. Jesus wäre heute auch bei Facebook, weil man damit viele Menschen erreicht“, findet der Pater. „Eben habe ich mit einem Post an das Jubiläum erinnert.“

Kloster Neustadt

  • Der französische Pater Leon Dehon hat den Orden 1878 gegründet. Ins Zentrum stellt er Frömmigkeit und den Einsatz für die Menschen.
  • Heute engagieren sich über 2200 Patres und Brüder in 44 Ländern für Menschen, die Hilfe brauchen
  • Im Neustadter Herz-Jesu-Kloster liegt der Schwerpunkt auf Bildungsangeboten wie zum Beispiel Exerzitien-Kurse, Taizé-Gebete, meditative Wanderungen, Pilgerreisen, Bibelseminare, Talk im Kloster, Beziehungsberatung, Heilfastenkuren oder Auszeiten im Kloster.
  • Info: www.kloster-neustadt.de 
Religion

Herz-Jesu-Kloster wird 100 Jahre alt

Veröffentlicht
Bilder in Galerie
13
Mehr erfahren

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen