Speyer. Scharfe Zähne, rotglühende Augen, riesiges Maul: Muss ein solch furchterregendes Monster wirklich ausgestellt werden? „Unbedingt“, sagt Museumsdirektor Alexander Schubert und lacht. „Es erhält sogar einen Ehrenplatz.“ Schubert steht neben dem Ungeheuer – einem gut zwei Tonnen schweren und drei Meter hohen Drachen, der als Kultobjekt im Holiday Park in Haßloch mehr als 35 Jahre lang Generationen von Kindern fasziniert hat. Künftig steht der Lindwurm im Historischen Museum der Pfalz in Speyer. „Die Faszination für Drachen ist ein weltweites, altes, und dennoch modernes Phänomen“, meint Schubert. „Zudem ist diese Figur schlicht ein Stück Popkultur.“
Einst bewachte er einen Schatz
Im November hatte Direktor Schubert erfahren, dass die Attraktion „Burg Falkenstein“ in Haßloch geschlossen wird und das Interieur den Park verlassen muss – darunter der Drache, der eine große Schatztruhe bewachte. „Mein Kollege Lars Börner und ich waren zunächst enttäuscht, da es unmöglich schien, den auf einem schweren Betonsockel befestigten und mit Eisenträgern verstärkten Drachen unbeschädigt transportieren zu können.“ Schließlich zerlegten 15 Männer des Technischen Hilfswerks das Monstrum in sechs Stunden in Kopf, Körper, Schweif und brachten es auf zwei Lastwagen zum Museum.
In Haßloch ist man froh über die neue Heimat für die populäre Figur. Geld wolle man nicht, sagt Bernd Beitz, Deutschlanddirektor der Plopsa Gruppe. „Da das Museum als Landeseinrichtung einem gemeinnützigen Zweck dient und der Betrag aus öffentlichen Geldern oder Spenden stammen würde, haben wir auf die Zahlung verzichtet.“
„Artgerechte Haltung wichtig“
Derzeit wartet der Drache im Depot des Museums auf seinen künftigen Platz. Klaus Marschall, Chef der berühmten Augsburger Puppenkiste, macht den Pfälzern Mut. „Mit der Haltung von Drachen in unserem Puppentheatermuseum haben wir gute Erfahrungen gemacht“, sagt er augenzwinkernd. „Allerdings ist auf artgerechte Haltung zu achten.“ Als Beispiel nennt er zwei bekannte Figuren aus der Geschichte „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“: In einer Dauerausstellung befindet sich der Halbdrache Nepomuk in einer nachgebauten Vulkanlandschaft und Frau Mahlzahn in der Obhut eines kaiserlichen Bediensteten. Zwei weitere Drachen seien in einer nachgebauten Höhle untergebracht. „Alle vier Drachen erfreuen sich bester Gesundheit und erhalten viel Zuspruch“, erzählt Klaus Marschall und lacht.
Erstmal Wellness für den Drachen
Galten Drachen im Mittelalter in Europa noch als Verkörperung des Bösen, sind sie heute Helden in Zeichentrickserien und Videospielen oder dienen schlicht als Vorlage für eine Tätowierung. Seit mehr als zehn Jahren zeigt das Deutsche Drachenmuseum im südhessischen Lindenfels die Fabelwesen in Hunderten von Exponaten.
In Speyer wird sich nun eine Restauratorin um die imposante Figur kümmern. „Sie bekommt eine Art Wellnesskur, bei der die Wunden der Vergangenheit versorgt werden“, schildert Schubert. Der Drache habe in 35 Jahren einiges abbekommen. „Ein Riss auf der Klaue ähnelt einer Kampfverletzung. Er bewachte ja einen Schatz – da läge es nahe, dass er sich die Verletzung im Kampf zugezogen hat“, sagt der Direktor und schmunzelt. „Aber natürlich ist der Riss eine Gebrauchsspur.“
Wenn es nach Sammlungsleiter Börner geht, soll der Riese in einer Ausstellung zum Thema „Mythos Drache“ zu sehen sein. Schubert findet die Idee toll. „Falls wir das machen, erhält der Burgdrache einen Ehrenplatz“, betont er. Und der Direktor verspricht: „Die Fans des Holiday Parks sehen ihren Drachen früher oder später wieder.“
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/metropolregion_artikel,-metropolregion-ein-drache-zieht-ins-historische-museum-der-pfalz-_arid,2064995.html