Heimatforschung - Erik Wieman und Peter Berkel finden Relikte eines abgestürzten englischen Weltkriegsbombers auf dem Kohlhof

"Ein Acker voller Geschichte"

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Simone Jakob
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Wie sich der Luftkampf abgespielt haben könnte, stellen Erik Wieman (li.) und Peter Berkel mit Modellen vor der Absturzstelle nach. Teile des Flugzeugs, mit dem Sergeant Reginald Renton (o.) bei Limburgerhof abstürzte wird Wieman dessen Tochter Valerie Renton (u.) im November übergeben.

© Venus

Limburgerhof. Ein lichterloh brennendes Flugzeug rast in niedriger Höhe über Limburgerhof hinweg, ehe es der Pilot über dem Kohlhof nach oben zieht. Einen Augenblick später bricht das Heck des Weltkriegsbombers ab, die Maschine stürzt in einen Acker und geht in Flammen auf. "Von den sieben Besatzungsmitgliedern hat niemand überlebt", erzählt Erik Wieman und deutet auf die Absturzstelle - ein unscheinbares Kürbisfeld zwischen Limburgerhof und Schifferstadt, wo sich vier Feldwege treffen. Der 48-Jährige ist ehrenamtlicher Mitarbeiter der "Interessengemeinschaft Heimatforschung Rheinland-Pfalz" und hat mit seinem Kollegen Peter Berkel auf dem Kohlhof den abgestürzten englischen Bomber vom Typ Stirling gefunden.

Mehr als 2000 Teile geborgen

Rund 2000 Flugzeugteile sowie Granatsplitter von deutschen Flugabwehrkanonen, englische Patronenhülsen, abgebrannte Reste von Stabbrandbomben und Knochen haben die beiden "Flugzeug-Archäologen" auf dem Feld entdeckt und dem Landesamt für Denkmalpflege in Speyer übergeben. "Außerdem haben wir römische Münzen, Musketenkugeln von der Schlacht an der Rehhütte und keltische Keramik gefunden. Das ist ein Acker voller Geschichte", berichtet Wieman mit leuchtenden Augen. Seit mehr als 20 Jahren sucht der gebürtige Niederländer nach stillen Zeugen der Geschichte.

"Ein Fund ist erst spannend, wenn man die Hintergründe kennt", betont er. Dann erzählt Wieman, was es mit den Überresten des viermotorigen englischen Bombers auf sich hat: Das Flugzeug mit der Kennung EF 129 WO-Q sei am Abend des 5. September 1943 vom Flugplatz Wratting Common bei Cambridge gestartet. "Es war Teil eines Bomberstroms von 605 Maschinen, die einen Großangriff auf Mannheim und Ludwigshafen fliegen sollten. Das war der größte Luftangriff auf die Schwester-Städte im Zweiten Weltkrieg, allein in der Chemiestadt wurden 50 000 Menschen in dieser Nacht obdachlos", berichtet der Heimatforscher, der als Berufssoldat bei den Royal Marines arbeitete.

"Es war ein Feuersturm: 34 englische Bomber wurden durch deutsche Nachtjäger und die Flak abgeschossen. Drei Tage später brannten noch Lagerhäuser und allein in Ludwigshafen gab es 127 Tote und 568 Verwundete. Außerdem starben 250 alliierte Flieger", fasst Wieman zusammen. So auch die Besatzung der Stirling. "Wir haben erst mit Zeitzeugen gesprochen, um die genaue Absturzstelle zu finden", ergänzt Berkel. Kaum hatte das Duo die notwendigen Genehmigungen der Denkmalbehörde zusammen, sondierte Wieman den Acker. "Schon bei der ersten Erkundungsrunde zu Fuß habe ich kleine Flugzeugteile mit dunkelgrünem Tarnanstrich und englische Munitionsreste gefunden", erinnert er sich.

Fast zeitgleich startete die Suche nach Nachfahren der Besatzung. "Die Briten haben alle Verluste aus dem Zweiten Weltkrieg nach Orten sortiert im Internet aufgelistet und so konnten wir in den Heimatorten der Soldaten Zeitungsaufrufe schalten", erklärt Wieman. Nur zwei Wochen später bekam er einen Brief von Valerie Renton, der Tochter des über dem Kohlhof abgeschossenen Bomberschützen Sergeant Reginald James Renton. "Sie hat sich so gefreut, doch noch etwas über die Umstände seines Todes zu erfahren. Schließlich war sie ein kleines Mädchen, als ihr Vater nach Deutschland aufbrach und niemals wiederkam."

Am 6. November - dem Remembrance Day in Großbritannien - wird Wieman nach England reisen, um Valerie Renton den Auslöser für den Bombenmechanismus zu überreichen, den er an der Absturzstelle gefunden hat. "Das ist ein Gegenstand, der einen direkten Bezug zu ihrem Vater hat, denn der saß als Schütze in der gläsernen Nase des Flugzeugs und bestimmte, wann die Bomben fielen", erklärt Wieman.

Neue Projekte geplant

Mit Berkel plant er die nächsten Suchprojekte: "In Waldsee soll eine Halifax runtergegangen sein und in Haßloch gibt es Zeitzeugen, die den Absturz einer deutschen Jagdmaschine beobachtet haben." Das Suchen nach abgestürzten Flugzeugen sei wie eine Sucht, weil sich aus jedem Fund eine neue Geschichte ergebe. "Niemand soll an einer solchen Stelle vorbeigehen, ohne zu wissen, was dort passiert ist", sagt Wieman ernst.

Deshalb werde im Kohlhof bald ein Gedenkstein mit den Namen der Gefallenen neben der Absturzstelle an sie erinnern. "Nur wenn wir die Menschen, die im Krieg gestorben sind vergessen, sind sie wirklich tot. Und wir Heimatforscher möchten nicht vergessen", betont er und deutet auf das unscheinbare Kürbisfeld.

Flugroute und Heimatforschung

  • Der englische Bomber kam von seinem Einsatz in Mannheim zurück, wurde in Brand geschossen und stürzte auf einen Acker hinter dem Kohlhof.
  • Die IG Heimatforschung ist ein Netzwerk aus Historikern und Ehrenamtlichen. Da Zeitzeugen immer rarer werden, bitten die Forscher um Hinweise von Absturzstellen.
  • Erik Wieman: 0173/8 24 17 46 und erik.wieman@gmail.com und Peter Berkel 0170/14 11 57 98 und peter-berkel@gmx.de.

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