Edenkoben. Der kunstsinnige und baufreudige Bayern-König Ludwig I. (1786-1868) würde sich wundern, wenn er heute mal wieder in die Pfalz in seine Sommerresidenz "Ludwigshöhe" in Edenkoben kommen könnte. Nicht über den eigentlichen Königsbau am Waldrand - der hat sich seit seiner Errichtung in den Jahren 1846 bis 1852 nach Plänen seiner Hofarchitekten Friedrich von Gärtner (1791-1847) und Leo von Klenze (1784-1864) kaum verändert - wohl aber über den einstigen "Cavalierbau" für seine Bediensteten und Gäste etwas unterhalb in Richtung Norden.
Nachträglich unterkellert
Denn der ursprünglich "platt" auf Sandstein und festem Geröll stehende Bau mit seinen früher einmal 63 Räumen in zwei Stockwerken hat mehr als 150 Jahre nach seiner Inbetriebnahme am 6. Juli 1852 einen tiefen Keller bekommen. Dieses waghalsige Unterfangen haben die neuen Besitzer des "Cavalierbaus" in die Wege geleitet: die Winzerfamilie Stefan Schneider (56) mit den unternehmungslustigen Söhnen Christian (29) und Florian (24), die das leerstehende Gebäude vor 13 Jahren kaufte.
Christian Schneider hat in Teilen des ehemaligen "Cavalierbaues" sein junges Weingut "Vinification Ludwigshöhe" angesiedelt. Wenn einmal die auf mehrere Jahre angelegten Bauarbeiten dieses "Millionenprojektes" abgeschlossen sind, wird auf der einst fast nur Adligen vorbehaltenen Ludwigshöhe unterhalb der Rietburg-Sesselbahn ein Weingut in historischen Mauern entstanden sein - mit einem Keller aus unseren Tagen und darüber großzügigen Räumen, die einmal für Bedienstete der nahen "Villa" (so nannte Ludwig I. seine Sommerresidenz) und deren Gäste geplant waren.
Rund 3000 bis 4000 Kubikmeter Erde wurden nach Schneiders Schätzung bisher aus dem Untergrund des "Cavalierbaues" ausgebuddelt und entsorgt. Nicht ohne besondere Sicherungsmaßnahmen: "Wir haben allein vier Jahre lang alles im bestehenden Bau vorbereitet, um die Wände zu entlasten," berichtet Schneider.
Das elterliche Weingut, das seinen Sitz als "Herrengut" mit gastronomischen Einrichtungen im nahen St. Martin hat und nun mit der "Vinification" auf der Ludwigshöhe zunächst einen "Ableger" in Betrieb nahm, will sich Zeit lassen: "Wir planen keinen Schnellschuss, damit alles einmal Hand und Fuß hat," gibt Senior Schneider grob die zeitliche Richtung vor.
Der "Cavalierbau" soll einmal ein Vorzeigeprojekt nicht nur für Schneider-Weine, sondern auch ein "Anlaufpunkt für alle Pfälzer Weine" werden, so Junior Christian. "Wir wollen hier in historischem Ambiente den Weinfreunden bei einem Rundgang in Wingert und Keller zeigen, was heutzutage modernen Weinbau ausmacht - und vor allem, was dabei rauskommt," sagt er selbstbewusst.
Zu den Kosten, die für das ehrgeizige Gesamtprojekt notwendig sind, wollen die Schneiders keine Angaben machen - wohl auch deshalb, weil sie nicht exakt vorausberechenbar sind. Etwas anderes aber ist sicher: Die "Vinification Ludwigshöhe" wird als ungewöhnliches Weingut zu einem Thema werden. Denn sie produziert als wohl einziges Weingut in Deutschland ausschließlich Cuvée-Weine, also Weine aus mehreren Rebsorten. Schneider: "Mit den Cuvées haben wir ein Alleinstellungsmerkmal und schon jetzt viel Erfolg."
Vorerst werden fünf Hektar Rebfläche für die Cuvées beackert - im "Herrengut" sind es 70 Hektar. Doch die Schneiders haben Visionen: Im alten "Herrengut" sollen auch künftig nur Rebsortenweine in die Flasche kommen, in der "Vinification" weiter edle Cuvées mit steigendem Anteil an der Gesamtproduktion.
Der "Cavalierbau" und seine bewegte Geschichte
18. Mai 1846: Grundsteinlegung für Gesamtanlage Villa, Cavalierbau, Marstall.
Zunächst als "Mittel- oder Prinzenbau" für Hofmarschallamt, Sekretariat, Bedienstete und Gäste von Ludwig I. geplant.
6. Juli 1852: Ludwig I. residiert erstmals in seiner "Villa" - quasi Einweihung.
In den Kriegen 1870/71 und 1914/18: Lazarett.
ab 1927: Kriegererholungsheim.
1940-45: Großlager für "evakuierte" Möbel aus Ludwigshafen.
nach 1945: Belegung durch Besatzungskräfte - dann Leerstand und "völlig verwohnt".
1952: Kauf durch den Südwestdeutschen Fußball-Verband (SWFV) vom Wittelsbacher-Ausgleichsfonds.
ab 16. August 1952: Sporthotel und SWFV-Gästehaus (bis 1961).
ab 1962: Vom SWFV verpachtet an die Bundeswehr als Akademie für Wehrverwaltung und Wehrtechnik; Weiterverpachtung ans Bundeswehr-Sozialwerk als Erholungsheim.
2002 Verkauf an das Weingut Schneider (St. Martin). rs
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