Mobilität (mit Fotostrecke)

e4Testival auf dem Hockenheimring: Tausendfache Testfahrten mit E-Autos

Das e4Testival auf dem Hockenheimring zeigt die Vielfalt der Elektromobilität mit spannenden Testfahrten und innovativen Fahrzeugen.

Von 
Bernhard Zinke
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Sieht nicht so aus, ist aber ein E-Auto: Max Heermann-Többenotke hat den VW-Bully in vier Monaten umgebaut. © Bernhard Zinke

Hockenheim. Viele windschnittige Wagen werben in der Boxengasse um die Gunst der Besucher. Jede Menge Autofirmen präsentieren an diesem Wochenende Dutzende verschiedener Autos zum Kennenlernen, unter anderem mit Testfahrten auf dem Ring. Das e4Testival auf dem Hockenheimring will Menschen die Möglichkeiten der Elektromobilität zeigen – und zwar ohne Überzeugungseifer. Die Interessenten dürfen mit verschiedenen Modellen über die legendäre Rennstrecke fahren und sich ihr eigenes Bild machen, ohne zu anschließenden Verkaufsgesprächen genötigt zu werden.

Schon am Samstag wird erkennbar, dass deutlich mehr Menschen das Angebot nutzen. „So voll war der Parkplatz noch nie“, sagt Cheforganisator Alexander Nieland und ist stolz auf die Vielfalt der Autos. Der chinesische Konzern BYD, dessen Batterien schon jetzt in Millionen deutschen Haushalten den überschüssigen Strom aus PV-Anlagen speichern, drängt mit Macht auf den deutschen Markt. Die Modelle vom kleinen „Dolphin“ bis zum großen Top-Modell Sealion 7 sind allgegenwärtig am Ring. Die südkoreanische Marke KGM, früher SsangYong, punktet mit Elektro-Pickups, die für Handwerker und kommunale Bauhöfe interessant sein können.

Deutsche Autofirmen glänzen durch Abwesenheit

Von den deutschen Autoherstellern ist gerade mal Porsche vertreten. Der Taycan mit seinen 1000 PS ist vor allem beim zahlreich vertretenen jungen Publikum für Testfahrten begehrt. Der VW-Konzern hat lediglich seine Marke Skoda geschickt. Ford ist wie Skoda erstmals da. Der VW-Mutterkonzern, Mercedes, Opel, BMW und Audi glänzen durch Abwesenheit, obwohl sie mittlerweile eine ganze Palette an E-Autos am Start haben. Möglicherweise habe die angespannte wirtschaftliche Situation der Unternehmen die Budgets für solche Veranstaltungen zusammenstreichen lassen, mutmaßt Nieland. Sein Team sei aber permanent dabei, die Konzerne für das Testival zu begeistern.

Der Cheforganisator des e4Testivals, Alexander Nieland, vor dem Beginn des Rennens, der ADAC e4Competition. © Bernhard Zinke

Nicht zielführend finden es viele Besucher, dass gerade jetzt, wo die deutsche Autobranche in der E-Mobilität an Fahrt aufnimmt, die Politik das Aus vom Verbrenner-Aus fordert. Das fördere weder das Vertrauen in eine weltweit längst etablierte Technologie noch schaffe es Planungssicherheit für die Autokonzerne, heißt es immer wieder bei Experten, die beim Testival präsent sind.

Umgebauter VW-Bully ist der Hingucker des Wochenendes

Den Hingucker des Wochenendes bietet freilich Max Heermann-Többenotke. Der 20-jährige Maschinenbaustudent der Hochschule Osnabrück hat einen alten VW-Bully, Modell T2, in einen solarbetriebenen Elektro-Camper umgebaut. Damit war er diesen Sommer in ganz Europa unterwegs. 8000 Kilometer hat Max damit heruntergerissen, ohne ein einziges Mal eine Ladesäule ansteuern zu müssen. Der Clou: Der Bully hat ein ausklappbares Solardach. Das spendet nicht nur Schatten, sondern lädt auch die Batterie an sonnigen Tagen mit 30 Kilowattstunden voll. Das reicht für eine Distanz von rund 100 Kilometern. Insgesamt hat die Antriebsbatterie des umgebauten Oldtimers eine Reichweite von rund 450 Kilometern. Zu Anschauungszwecken ist er mit einem alten Wohnwagen an der Anhängerkupplung nach Hockenheim gekommen. Max kann den Bully aber auch an der Steckdose laden, wenn die Sonne nicht scheint.

e4Testival

Das e4Testival auf dem Hockenheimring findet in diesem Jahr zum sechsten Mal statt. Erstmals bot der Veranstalter e4Qualification, ein Fortbildungsinstitut mit Sitz am Hockenheimring, die Testfahrten auf dem Hockenheimring im Jahr 2018 an. In den Corona-Jahren musste das Testival pausieren.

Ziel ist es, den Menschen die Möglichkeiten der E-Mobilität unverbindlich zu zeigen und E-Autos ausprobieren zu lassen.

Zum Programm gehört immer auch ein Rennen auf dem Hockenheimring . In diesem Jahr haben sich 33 Teams die Ausdauer-Herausforderung geliefert. Ein Team musste krankheitsbedingt absagen. Gewonnen hat, welches Team mit cleverer Tempo- und Ladestrategie nach 17 Stunden die meisten Runden absolviert hat. bjz

Der Student ist seit jeher ein Tüftler. Schon mit 15 hat er sein erstes E-Bike selbst gebaut. Einen Porsche Diesel-Traktor kaufte für 1400 Euro, um ihn zu restaurieren. Weil es aber keine Ersatzteile mehr für den landwirtschaftlichen Oldtimer gab, schoss er im Internet einen Mini-Elektroantrieb mit Hochvolt-Technik für 2800 Euro. Den baute er in den alten Trecker ein. Und das funktionierte. Mittlerweile hat er acht Fahrzeuge zu E-Mobilen umgebaut. Am T2-Bully schraubte er vier Monate lang. „Ich will die Leute inspirieren“, sagt Max. Gut, die TÜV-Abnahme sei eine Herausforderung gewesen, gibt er zu. Aber mittlerweile hat er sogar einige Prüfer mit seinen Umbauten begeistern können. „Aktuell baue ich gerade ein Kajütboot um. Auf dem Wasser gibt‘s keinen TÜV“, sagt er grinsend.

Urlaubsreise durch Südosteuropa ohne Ladeprobleme

Dass E-Mobilität und Reisen kein Widerspruch ist, haben auch Annette und Holger Wunsch bewiesen. Sie sind seit vergangener Woche zurück von ihrer 38-tägigen Tour durch Südost-Europa. Dabei haben sie 6500 Kilometer mit ihrem umgebauten ID-Buzz, der E-Version des alten Bully, absolviert. Durch Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Nordmazedonien ging es. „In Albanien war die Lade-Infrastruktur hervorragend. In Bosnien-Herzegowina und Montenegro haben wir den Trip genau planen müssen. Aber eng wurde es nirgends“, erläutert Holger Wunsch. Auch das Ehepaar nutzt Solarpanels auf dem Dach, um eine Extra-Batterie zum Betrieb etwa des doppelten Induktionskochfeldes zu speisen. Der Innenausbau hat ein Vierteljahr in Anspruch genommen. Er ist gerade mal 150 Kilo schwer und lässt sich mit vier Schrauben entfernen.

André K. Aepfelbach (links) von Green Aviation aus Mannheim lädt gerade das E-Flugzeug, eine Pipistrel Velis © Bernhard Zinke

Dass E-Mobilität nicht nur Autos betrifft, beweist das Mannheimer Unternehmen Green Aviation. Die Ausgründung aus dem Badisch-Pfälzischen Flugsportverein hat es sich zum Ziel gesetzt, elektrisch betriebene Flugzeuge und die entsprechende Infrastruktur auf deutschen Flugplätzen zu etablieren. Mannheim und Speyer seien dabei vorbildlich, sagt André K. Aepfelbach. Zwei Akkus halten die Pipistrel Velis eine Dreiviertelstunde in der Luft. Genausolange dauert es, bis die Batterien wieder voll sind. „Es macht einen Riesenspaß, die Maschine zu fliegen“, sagt Pilot Markus Vogt. Weil die Maschine kein Motorgeräusch produziert, sind mit ihr Platzrunden in Mannheim auch am Wochenende erlaubt.

Das e4Testival wird an diesem Sonntag fortgesetzt. Unter anderem stellt die Mannheimer SPD-Bundestagsabgeordnete Isabel Cademartori Förderprogramme für E-Autos vor. Im vergangenen Jahr kamen 12.000 Besucher. Veranstalter Alexander Nieland rechnet in diesem Jahr mit deutlich mehr Publikum.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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