Soziales - Dietmar Hopp Stiftung gibt die ersten zehn Gewinner einer Tovertafel bekannt / Digitale Technik holt Demenzpatienten ins Leben zurück

Digitale Technik für Demenzpatienten: Dietmar Hopp Stiftung gibt die ersten zehn Gewinner bekannt

Von 
Bernhard Zinke
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Stephanie Werner (Mitte) putzt mit den Patienten im Haus am Germannsberg das Silberbesteck auf der Tovertafel. © Klaus Venus

Rhein-Neckar. Auf dem Tisch liegen Silberbestecke – zumindest die Bilder davon. Wer mit einem Lappen immer wieder drüber wischt, poliert die angelaufenen Gabeln und Löffel wieder blitzblank. Auch wenn es sich nur um Projektionen und Abbildungen auf diesem Zaubertisch handelt. Die Seniorinnen und Senioren, die um den Tisch herumsitzen, haben trotzdem erkennbar Spaß an der Tätigkeit, erwachen plötzlich wieder aus ihrem Dämmerzustand. Diese Woche hat das Haus am Germannsberg in Speyer sein ganz besonderes „Weihnachtsgeschenk“ ausgepackt und in Dienst gestellt: Eine so genannte Tover-Tafel, spendiert von der Dietmar Hopp Stiftung.

„Greifbares Glück“ heißt das neue Sozialprojekt, das sich an Pflegeheime oder Kliniken wendet, die Demenzpatienten pflegen und umsorgen. Die Stiftung finanziert insgesamt 100 Einrichtungen solche Tovertafeln. Das sind Beamer, die Gegenstände auf einen Tisch projezieren. Diese können mit den Händen hin und her bewegt werden. Hier werden Adventskränze geschmückt, Bälle auf dem Tisch hin und her gerollt, Laub-Häufchen durcheinander gewirbelt oder eben Silberbesteck poliert. Entspannungsmusik schafft dazu eine angenehme Atmosphäre, die demente Menschen aus ihrer Lethargie ein Stück weit zurück ins Leben holt. Der materielle Wert der Tovertafeln: 1,3 Millionen Euro. Der Nutzwert: unbezahlbar.

Entwickelt wurden die Tovertafeln in den Niederlanden. Sie entstanden im Zusammenhang mit einer Doktorarbeit. Wissenschaftliche Studien haben nachgewiesen, dass dieses digitale Angebot die Apathie der Patienten durchdringt, die innere Unruhe verringert, Trübsal vertreibt, körperliche Aktivitäten stimuliert und die soziale Interaktion mit den Mitspielern verstärkt. Und noch immer wird die Wirkung der Zaubertische – das ist die Übersetzung des Begriffs aus dem Niederländischen – wissenschaftlich begleitet.

Die ersten Gewinner

  • Buchen: Pflegeheim Im Sonnengarten, Sonnengarten Stiftung
  • Heddesheim: Haus am Seeweg, Evangelische Heimstiftung Baden
  • Heidelberg: Wilhelm-Frommel-Haus, Altenhilfe der Evangelischen Stadtmission
  • Kleinniedesheim: Johanniter-Haus
  • Lambrecht: AWO Seniorenhaus „Lambrechter Tal“
  • Lorsch: Johanniter-Haus
  • Mannheim: Seniorenzentrum Maria-Scherer-Haus
  • Speyer: Haus am Germansberg, Diakonissen Speyer
  • Weinheim: Bodelschwingh-Heim am Schlosspark
  • Wiesloch: Agaplesion Haus Kurpfalz

Deutlich über 100 Bewerber

Einen Monat hatten die Einrichtungen Zeit, um sich bei der Dietmar Hopp Stiftung zu bewerben. Am 22. Oktober war die Frist abgelaufen für das neue Sozialprojekt, das der Mäzen über seine Stiftung in der Region gestartet hat. „Es haben sich deutlich über 100 Einrichtungen beworben“, bestätigt Katja Jewski, Sprecherin der Stiftung. Das bedeutet, dass nicht alle Bewerber auch ein solches Gerät erhalten.

Die ersten zehn sind nun allerdings ausgewählt. Und sie haben ihre Zaubertafel auch schon in Empfang nehmen können – wie zum Beispiel das Haus am Germannsberg, ein Seniorenheim der Evangelischen Diakonissenanstalt Speyer–Mannheim–Bad Dürkheim.

Aufgebaut wurde die Tovertafel dort im „Raum der Begegnung“, einem geschützten Bereich, im dem spielerisch kognitive Fähigkeiten der Demenzpatienten wieder aktiviert werden. „Wir sind immer wieder erstaunt und berührt, wie aufbauend und nachhaltig die Stunden in der Validationsgruppe auf unsere Bewohnerinnen und Bewohner wirken. Fähigkeiten, Worte und Emotionen werden aktiviert, die verloren geglaubt waren“, betont Jaquline Hilsendegen, Betreuungskraft im Demenzbereich. „Jetzt wird die Tovertafel unser Angebot ergänzen und weitere glückliche Momente und ein zusätzliches Stück Lebensqualität schenken“, freut sich Stephanie Werner, Leiterin des Sozial-Kulturellen Dienstes, über den Zugewinn dieser neuartigen Pflegetechnologie.

Für Jürgen Bauer, den Ärztlichen Direktor des Agaplesion Bethanien-Krankenhauses Heidelberg und Direktor des Netzwerks Alternsforschung an der Uni Heidelberg, ist diese neue Technologie Gold wert, gerade in Zeiten dieser Pandemie. Zwar gebe es zwangsläufig noch keine langfristigen Studien, aber doch Hinweise darauf, dass eine Covid-19-Erkrankung die Entstehgung von Demenz fördern könnte. „Hinzu kommt, dass ältere Covid-Patienten oftmals unter erheblichen Beeinträchtigungen im Bereich des Denkens und der Auffassungsgabe leiden. Diese Covid-Folgen können die Selbstständigkeit älterer Menschen erheblich beeinträchtigen. Auch diese Gruppe kann von der Aktivierung durch die Beschäftigung mit der Tovertafel profitieren“, so Bauer.

Bei den mehr als 100 Bewerbern um einen Zaubertisch handelt es sich laut Stiftung überwiegend um Pflegeheime, Tagespflege-Einrichtungen und Kliniken aus der gesamten Metropolregion. „Alle Interessenten haben haben sehr lebendig geschildert, wie sie die Tovertafel in ihr Beschäftigungsangebot für Demenzkranke integrieren möchten“, schildert Meike Leupold, stellvertretende Leiterin der Dietmar Hopp Stiftung. Die ersten zehn auszuwählen, sei deshalb nicht einfach gewesen. Aber sie sind nicht die letzten. Bis zum nächsten September gibt die Stiftung monatlich zehn weitere Gewinner einer Tovertafel bekannt, die nächsten Mitte Januar.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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