Speyer. Andreas Weber will seinen Vorruhestand genießen. Nach 20 Jahren im beschaulichen Ludwigshafener Stadtteil Maudach zieht er Anfang 2020 deshalb mit seiner Frau Bettina nach Speyer. Die Stadt, in der sie sich vor mehr als 30 Jahren kennengelernt haben. „Wir wollten unbedingt nach Speyer. Dort gibt es viele Restaurants und Bars, den Dom, Touristen. Man lebt dort, wo andere Urlaub machen“, berichtet er.
Doch nur drei Jahre später geht es für Weber nicht mehr um das pulsierende Leben in der Domstadt. Für ihn geht es nur noch um das Überleben. Im Oktober hat er die Diagnose über eine bösartige Knochenmarkserkrankung erhalten. Um weiterleben zu können, braucht der 63-Jährige so schnell wie möglich einen passenden Stammzellspender. Gemeinsam mit der DKMS ist eine Registrierungsaktion ins Leben gerufen worden.
Fehler im Erbmaterial
Myelofibrose nennt sich die seltene Blutkrebs-Erkrankung, die in Deutschland jährlich bei rund 1000 Menschen diagnostiziert wird. Durch Fehler im Erbmaterial der Blutstammzellen im Knochenmark kommt es zu einer übermäßigen Vermehrung roter oder weißer Blutkörperchen - oder wie in Webers Fall der Blutplättchen. Dies führt zu einem unkontrollierten Wachstum der Bindegewebszellen, was wiederum eine Verfaserung des Knochenmarks verursacht. Dieses verliert in der Folge die Fähigkeit, Blutzellen zu bilden.
So auch bei Andreas Weber. „Ich brauche alle drei Wochen eine Bluttransfusion“, berichtet er. Ihm fehlt Sauerstoff, er fühlt sich schwach und hat starke Schmerzen in den Gliedern, gegen die er Mittel einnimmt. „Das ist nicht nur körperlich anstrengend, sondern auch eine psychische Belastung. Man fragt sich manchmal, weshalb man noch aufstehen soll. Man schleppt sich so durch den Tag“, berichtet er.
Registrierung
- Unter www.dkms.de/andreas können sich 17- bis 55-Jährige im Internet die Registrierungsunterlagen bestellen.
- Diese umfassen drei Wattestäbchen für einen Wangenschleimhautabstrich und eine Einverständniserklärung.
- Die Gewebemerkmale werden untersucht und in Karteien abgelegt, von denen Patienten weltweit profitieren können.
Die Myelofibrose ist bei Andreas Weber die Folge einer anderen Erkrankung, die 2014 bei ihm festgestellt wurde. Damals diagnostizierten Ärzte eine Essenzielle Thrombozythämie, bei der übermäßig viele Thrombozyten gebildet werden. Sie gehört zur Kategorie der Myeloproliferativen Neoplasien (MPN). „Diese Erkrankung ist mit Medikamenten sehr gut behandelbar. Die Lebenserwartung wird dadurch eigentlich nicht verkürzt“, sagt der 63-Jährige. Bislang habe er damit ein ziemlich normales Leben führen können.
Doch in seltenen Fällen könne die Erkrankung umschlagen, so wie es bei ihm der Fall gewesen sei. Plötzliche Knochenschmerzen seien die Anzeichen gewesen. Zunächst suchte er einen Orthopäden auf, weil er die Ursachen auf diesem Gebiet vermutete - ohne Ergebnis. Eine Knochenmarkpunktion brachte dann den lebensverändernden Befund. Denn trotz der Vorerkrankung kam die Diagnose für Weber völlig überraschend. „Ich habe nicht geraucht, habe Alkohol nur in Maßen getrunken, war immer schlank und habe Sport getrieben“, sagt er. „Man steckt manchmal einfach nicht drin.“
Leidenschaftlicher Kampfsportler
Im Alter von 17 Jahren hat Weber mit Kampfsport begonnen, Karate. „Das war mit der Bruce-Lee-Welle“, erinnert er sich. Lange Zeit war er Trainer, bis ihn ein doppelter Bandscheibenvorfall zum Umdisponieren zwang. Bei der Turn- und Sängervereinigung Neuhofen gründete er eine Tai Chi-Gruppe, die inzwischen seit fünf Jahren existiert.
Etwas mehr als 320 Menschen haben sich inzwischen online bei der Aktion für Andreas registriert, um als mögliche Stammzellspender in Frage zu kommen. Ein passendes Profil war bislang jedoch noch nicht dabei. Generell stehen die Chancen nicht allzu gut, große Hoffnungen machen die Ärzte Andreas Weber nicht. „Ich bin wohl ein Sonderfall“, sagt er. Die Wahrscheinlichkeit, einen genetischen Zwilling zu finden, liege bei eins zu 30 Millionen. Kinder haben Andreas und Bettina Weber nicht, seine Schwester ist für eine Stammzellspende zu alt und hatte selbst schon mal eine Krebserkrankung.
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Und so setzt sich bei Andreas Weber immer mehr das Bewusstsein, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt. „Ich genieße jeden Sonnenstrahl, weil ich denke, dass es das letzte Mal sein könnte“, berichtet er. Im Wohnzimmer setzt er sich dann und saugt das wärmende Licht auf. Für Ausflüge vor die Haustüre reicht die Kraft kaum noch. Das Gassigehen mit dem West Highland White Terrier Sunny müsse Ehefrau Bettina übernehmen. Die Hoffnung, dass er das eines Tages wieder selbst machen kann, dass sich doch noch ein geeigneter Spender findet, hat Andreas Weber noch nicht aufgegeben.