Tiere - Seit 50 Jahren sind wild lebende Halsbandsittiche in Deutschland unterwegs / In der Metropolregion weit verbreitet

Bunte Vögel erobern die Städte

Von 
Jasper Rothfels
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Rhein-Neckar. Sie fliegen wie grüne Blitze von Baum zu Baum, sitzen keckernd in den Wipfeln oder huschen schwarmweise am Himmel entlang: Wo Halsbandsittiche auftauchen, zieht ein Hauch von Exotik ein, verbunden mit Lärm, manch angepicktem Apfel und Bruthöhlen in der Wärmedämmung von Fassaden. Die Papageienvögel, die ursprünglich aus Indien und Afrika stammen, sind in der Metropolregion und weiter nördlich am Rhein längst heimisch. 2019 könnten sie theoretisch Jubiläum feiern: Dann ist es 50 Jahre her, dass sie in Deutschland in freier Wildbahn erstmals brüteten – in Köln. Im Rhein-Neckar-Raum war es fünf Jahre später soweit.

Heute sieht mancher die Piepmätze kritisch, doch die Zahl der Fans überwiegt, wenn man Michael Braun glaubt. Größere Kolonien gibt es in Heidelberg, Mannheim, Ludwigshafen sowie im Raum Wiesbaden-Mainz und Bonn-Düsseldorf, vor allem in den Großstädten.

Die Tiere schlafen in großen Gruppen auf ausgewählten Bäumen und ziehen tagsüber in Trupps durch die Gegend. Gebrütet wird in Baumhöhlen und Nistkästen sowie vereinzelt in Dämmungen von Häuserfassaden, die der Buntspecht „angebohrt“ hat.

Der Sittich sei – auch in Indien – ein Stadtvogel, sagt Braun. Dort habe er alles, was er brauche.

In seiner näheren Umgebung kann der Vogel die Geduld der Menschen auch strapazieren. In Heidelberg etwa steht einer der Schlafbäume am Hauptbahnhof, nach Angaben des Biologieprofessors Michael Wink wird die Platane von 800 bis 900 Sittichen genutzt.

Kot ist öfter Thema

Viele weiße Flecken am Boden bezeugen das. Wer hier parkt, kann Pech haben. Das gilt für einen Mann, der sein Auto nachts unter dem Baum abgestellt hat. Nun ist es gesprenkelt. „Sch...“ sei das, sagt er. „Aber wenn man die Natur liebt, muss man auch mit sowas zurechtkommen.“ Der Kot ist auch andernorts Thema, etwa in Mannheim. „Allerdings wechseln die Vögel die Schlafbäume immer wieder, so dass das Problem nur zeitlich begrenzt auftritt“, so ein Sprecher der Stadt.

Kostspieliger ist die Angewohnheit der Höhlenbrüter, auch in Wärmedämmungen von Häusern zu nisten. Das Problem könne man aber mit dem Verschließen der Löcher und dem Aufhängen von Nistkästen lösen, sagt Braun. Im Hochsommer gibt es wegen der Vögel in Heidelberg laut Stadt auch mal Beschwerden über Lärm. Und auch mit dem Ernährungsverhalten ist nicht jeder glücklich. „Sie fressen alles, was auf den Bäumen hängt“, so Biologe Braun. Dazu zählten neben Knospen und Blüten auch Triebe und Früchte.

Ist der Sittich ein Schädling oder eine Bereicherung? „Alles Ansichtssache“, sagt Braun. Während manche in den Vögeln „fliegende grüne Ratten“ sähen, verbänden laut einer Umfrage 80 Prozent der Menschen etwas Positives mit ihnen, denn es handele sich um Papageien – exotisch, bunt und intelligent. Wink sagt: „Von allen Neuankömmlingen ist er der ungefährlichste.“ Er verdränge keine einheimischen Arten.

Tatsächlich bekommt der Sittich selbst von einem Neubürger Konkurrenz, vom Großen Alexandersittich – etwa in Wiesbaden. Er verdränge den kleineren Verwandten aus der Brutkolonie, so Braun. Die Halsbandsittiche wichen aus. Das heiße aber nicht, dass ihre Zahl sinke. In der Region nimmt ihr Bestand nach Erkenntnissen von Wink und Kollegen noch zu. Es gebe zu den Tieren viele positive Rückmeldungen, sagt ein Stadtsprecher in Heidelberg.

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Ex-Haustier mit Freiheitsdrang

Halsbandsittiche, benannt nach einem Streifen rund um Hals und Nacken der erwachsenen Männchen, werden in Europa schon lange gehalten. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts tauchten zunehmend freie Exemplare auf – sie waren ausgesetzt worden oder entwischt.

2015 habe es in zehn europäischen Ländern mindestens 90 brütende Gemeinschaften mit insgesamt 85 000 Tieren gegeben, heißt es in einer Studie, an der der Heidelberger Biologie-Professor Michael Wink beteiligt war. Auf Deutschland entfielen etwa 10 960 der Papageien.

In Heidelberg leben laut Stadt derzeit etwa 800 bis 1000 Exemplare.

In Mannheim schlafen laut örtlichem Nabu etwa 1000 in Bäumen beim Klinikum.

Der Ludwigshafener Nabu spricht von Tausenden Sittichen im Stadtgebiet. jar

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