Klimawandel

Bienen im Stresstest: Warum sich Imker um ihre Völker sorgen

Die milden Temperaturen lassen die Bienen bereits ausschwärmen. Imker sind wegen der derzeitigen Situation beunruhigt. Nicht nur Nahrung ist Mangelware, große Gefahr droht auch durch einen Parasiten

Von 
Kai Plösser
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Zielstrebig fliegt eine Biene einen winterblühenden Kirschbaum an: Die milden Temperaturen lassen die Tiere bereits ausschwärmen. © Henning Kaiser/dpa

Rhein-Neckar. Die derzeit milden Temperaturen hauchen den Bienen bereits zum Jahresanfang Leben ein. Für die Insekten bedeutet das Stress, zu früh ist für viele die Winterruhe vorbei. Aufgrund der Witterungsbedingungen hält es die Sonnentiere nicht mehr in der Traube. Die Bienen verlassen ihren Stock, um nach noch spärlich vorhandener Nahrung zu suchen. Doch noch gibt es kaum Pollen oder Nektar.

Hat es über zehn Grad, dann fliegen die Bienen.
Rainer Olbert Kreisvertreter beim Landesverband Badischer Imker

„Hat es über zehn Grad, dann fliegen die Bienen“, erläutert Rainer Olbert, Kreisvertreter beim Landesverband Badischer Imker für den Rhein-Neckar-Kreis sowie Mannheim und Heidelberg, im Gespräch mit dieser Redaktion. Seit Weihnachten würden die Bienen vermehrt ausschwärmen. „Sind sie mehrere Tage aktiv, starten sie das Brutgeschäft“, erklärt er weiter.

Sorge vor Kälteeinbruch

Gerade in dieser Zeit müssten Bienen ein hohes Maß an Energie aufwenden, um die laut Olbert bei der Brut benötigten 34 Grad im Stock zu erreichen. Die Wärme, die im Winter ohne Brut normal bei zehn bis 20 Grad liegt, erzeugen die Tiere durch Reibung mit ihrer Flugmuskulatur. „Das bedeutet einen großen Futterverbrauch“, sagt Olbert.

Der Vorstand vom Bezirksimkerverein Eberbach fürchtet vor allem einen Kälteeinbruch. „Eine erneute Frostperiode wäre nicht gut“, betont er. Vor allem schwachen Völkern könnte ein Wetterumschwung zusetzen. „Wenn es zu lange kalt ist, geht die Nahrung aus.“ Es gebe zwar Frühblüher wie Haselnuss und Krokusse. Bis zur ersten lohnenswerten Mahlzeit dauert es aber noch: „Die erste ergiebige Nahrungsquelle sind Weidenkätzchen, die im Februar und März blühen.“

Tipps für Bienen-Freunde

  • Markus Lay, Sprecher des saarländischen Imkerverbands, appelliert, die Bienen im Garten nicht mit Honig zu füttern. Die amerikanische Faulbrut könnte sich ausbreiten.
  • Vielmehr sollte der eigene Garten langfristig mit entsprechenden Pflanzen bienenfreundlich gestaltet werden.
  • Keine Weidenkätzchen sammeln, „weil sie eine sehr, sehr wichtige Bienennahrung sind.“
  • Laut Thomas Hock sollen wegen drohender Krankheiten keine Schalen mit Zuckerwasser aufgestellt werden. 

Imker müssten nun wachsam sein und den Bienen beispielsweise mit einem Futterteig nachträglich genügend Nahrung zur Verfügung stellen, betont Olbert: „Sonst erleben sie den Frühling nicht. Wir müssen schauen, dass wir starke Völker bis zum Frühjahr bekommen.“ Noch ist Olbert dahingehend nicht beunruhigt: „Nahrungstechnisch sollte das kein Problem sein, wenn der Imker aufgepasst hat.“

Parasit als „größter Verlustfaktor“

Thomas Hock, Vorsitzender des Imkerverbands Rheinland-Pfalz, scheint sich wegen der aktuellen Entwicklung größere Sorgen zu machen. „Die Rückmeldungen über den Zustand der Völker beunruhigen uns“, sagt er. Er sieht wegen dem Mangel an Nahrung für die Bienen viel Arbeit auf die Imker zukommen. „Wenn man jetzt schläft, kann es passieren, dass die Völker verhungern. Da muss man als Imker jetzt höllisch aufpassen und nah am Volk sein“, betont Hock.

Eine weitere Gefahr durch den warmen Winter: Wenn die Brut früher als üblich beginne, hätte auch die gefährliche Varroa-Milbe mehr Zeit, sich zu reproduzieren. Dies könne im Sommer und Herbst zu Problemen führen.

Etwa 30 Prozent der Bienenvölker sind im vergangenen Jahr an der Varroa-Milbe gestorben.

Die Varroa-Milbe bereitet auch Olbert große Sorgen. Er vergleicht den Parasit mit einer Zecke. Nur dass sich die Varroa-Milbe zur Biene im Größenvergleich wie Ratte zu Mensch verhalte. „Der größte Verlustfaktor“ sei der Krankheitserreger für die Bienenvölker. Olbert schätzt, dass im vergangenen Jahr etwa 25 bis 30 Prozent der Völker in Deutschland an der Milbe verstorben sind.

Heißer Sommer hat einen Vorteil

Vor allem bei einer männlichen Brut, dessen Zyklus mit 24 Tagen drei bis acht Tage länger als bei Weibchen dauere, vermehre sich die Milbe. Sie könne die Biene bereits während der Brut mit schweren Krankheiten infizieren. Olbert nennt das Flügeldeformationsvirus als Beispiel, wodurch die Biene verstümmelte Flügel bekommt.

Es gelte, die Milbe in Schach zu halten und frühzeitig zu bekämpfen, „damit sie nicht Überhand nimmt“. Olbert spricht von einer „Herausforderung und Gratwanderung“. Eine Möglichkeit wäre, die Wabe zu erhitzen. Bei 39 Grad versterbe die Milbe. Insofern kann Olbert sogar den heißen Sommern der vergangenen Jahre etwas abgewinnen.

Hoffen auf Gewöhnungsprozess

Doch der Klimawandel macht es den Bienen nicht einfacher. Dadurch, dass die Vegetationsperiode früher einsetze, gleichzeitig aber das höhere Risiko von beispielsweise Nachtfrost gegeben sei, könnte es für die Bienen schnell wieder vorbei sein. Situationen wie in diesem Winter würden sich also häufen.

Olbert hofft daher auf eine Art Gewöhnungsprozess und sagt: „Wenn das Wetter so bleibt, bin ich froh. Wegen des Klimawandels hat sich alles nach vorne geschoben.“ Bereits heute setze die Brut drei bis vier Wochen früher ein also noch vor 30 bis 40 Jahren, so Olbert.

„Gut ist es nicht, dass die Bienen schon fliegen. Aber es wird in Zeiten des Klimawandels normal werden“, prophezeit Hock. Imker müssten sich künftig viel mehr als in der Vergangenheit um die Tiere kümmern: „Damit sie im Herbst und Winter überleben und im Frühjahr wieder starke Völker haben.“ (mit dpa)

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