Familie

Bei der Verwaltung des Rhein-Pfalz-Kreises: Wie eine Adoption abläuft

Die Mitarbeiterinnen der Adoptionsfachstelle des Rhein-Pfalz-Kreises vermitteln Neugeborene an Adoptiveltern. Wie sie diese und die leiblichen Eltern beraten.

Von 
Alena Kuhn
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Anna Heberger (v.l.), Heike Zimmerling und Nina Englisch-Sessig arbeiten bei der Adoptionsfachstelle des Rhein-Pfalz-Kreises in Ludwigshafen. © Verwaltung Rhein-Pfalz-Kreis

Ludwigshafen. Wer ein Kind adoptieren möchte, begibt sich auf einen Weg, der neben Vorfreude und Hoffnung auch viele offene Fragen mit sich bringt. Und auch die abgebenden Eltern müssen eine schwere Entscheidung treffen. Hierbei helfen Nina Englisch-Sessig, Anna Heberger und Heike Zimmerling. Sie arbeiten in der Adoptionsfachstelle der Kreisverwaltung des Rhein-Pfalz-Kreises und stehen den Adoptiv- und leiblichen Eltern sowie den Kindern bei.

Zuständig sind sie für Ludwigshafen, Frankenthal, Neustadt, Speyer, den Rhein-Pfalz-Kreis und zeitnah auch für den Landkreis Bad Dürkheim. Denn dieser wird Teil der gemeinsamen Fachstelle mit Sitz in Ludwigshafen. „Die größte Veränderung dürfte für Bad Dürkheimer Adoptivfamilien sein“, sagt Zimmerling. Bislang habe den Landkreis eine Halbtagskraft betreut. Nun sei mit den zweieinhalb Vollzeitstellen von Englisch-Sessig, Heberger und Zimmerling mehr möglich. Doch wie läuft eine Adoption ab?

Adoptionsfachstelle in Ludwigshafen: Adoptiveltern leben in einer doppelten Elternschaft

„Der Bewerbungsprozess für Adoptiveltern dauert etwa ein Dreivierteljahr bis Jahr“, erklärt Englisch-Sessig. In der Zeit führen die drei Mitarbeiterinnen mehrere Gespräche mit den potenziellen Eltern. Sie fragen nach der eigenen Biografie, Grenzen und Erziehungsvorstellungen – und wollen so ein Gespür für die Menschen bekommen und sie ebenso aufklären.

Sie besuchen außerdem das Zuhause der Bewerberinnen und Bewerber und halten einmal im Jahr einen Intensivkurs für mehrere Paare. Bewerben kann sich im Prinzip jeder, auch einzelne Personen. „Die größte Rechtssicherheit hat man aber, wenn zwei da sind“, sagt Heberger. Auch mehrere homosexuelle Paare betreuen die Drei.

Adoptiveltern sollten jedoch keine schwere Straftat begangen haben, schwer krank sein oder sich in einer unsicheren wirtschaftlichen Lage befinden. Die meisten seien altersmäßig Ende 30 bis Anfang 40. Eins verbindet alle Bewerberinnen und Bewerber: Sie möchten ein Kind bekommen, können es zum Beispiel aus medizinischen Gründen aber nicht. In der Vorbereitungszeit soll den Eltern klar werden, was es bedeutet, ein Kind zu adoptieren. Zum Beispiel kommt auch die Frage auf, ob sie ein Schwarzes Kind aufnehmen würden.

In der Kreisverwaltung des Rhein-Pfalz-Kreises am Europaplatz in Ludwigshafen sitzt auch die Adoptionsfachstelle. © Alena Kuhn

Adoption sei ein lebenslanger Prozess, sagt Zimmerling. Viele hätten auch nicht auf dem Schirm, dass sie dann in einer doppelten Elternschaft leben. Damit meint sie die Adoptiv- und die leiblichen Eltern. Denn die Adoption verläuft in der Regel halboffen. Das heißt, dass die Kinder über die Adoptionsfachstelle Kontakt zu ihren leiblichen Eltern aufnehmen können.

Die Mitarbeiterinnen der Verwaltung beraten in der Hinsicht, dass die Kinder von Anfang an Bescheid wissen, dass sie adoptiert sind. Trotzdem müsse man sich als Adoptiveltern die Frage stellen, wann der richtige Zeitpunkt ist, um dem Kind seine Geschichte zu erzählen – und wie das ablaufen soll. Auch habe das Baby schon früh einen gravierenden Bindungsbruch erlebt. Ein Neugeborenes sei durch die Zeit im Bauch der leiblichen Mutter „kein unbeschriebenes Blatt“, wie Zimmerling betont. Der Bruch könne dazu führen, dass Veränderungen im Leben des Adoptivkindes – wie der Übergang vom Kindergarten zur Schule – mehr Kraft bräuchten als es bei anderen Kindern der Fall ist.

Das eigene Kind zur Adoption freizugeben, zeuge „von persönlicher Reife“

Es gebe mehr Bewerberinnen und Bewerber als Kinder, berichtet Heberger. Die Wahrscheinlichkeit kein Kind zu bekommen ist höher, als die eines zu bekommen. Eltern zu werden, sei „wie ein Sechser im Lotto“, fügt Zimmerling hinzu.

Denn dafür braucht es Eltern, die sich dazu entscheiden, ihr Neugeborenes zur Adoption freizugeben. Die Gründe hierfür sind vielfältig und individuell. Zum Großteil kommen nur die Mütter oder werdenden Mütter zur Beratung zu Englisch-Sessig, Heberger und Zimmerling. Es seien Frauen, die ihre eigene Grenze erkannt haben, betont Zimmerling. Dazu gehöre persönliche Reife.

Sie habe in ihren 33 Jahren bei der Adoptionsfachstelle noch nie eine Mutter erlebt, die einfach keine Lust auf ein Kind hatte. Es sei immer eine „Wahl zwischen Pest und Cholera“, ob sie das Kind behalten soll oder nicht – und diese sei immer mit Schmerz und Trauer verbunden. Viele Mütter würden sich ein besseres Leben für ihr Kind wünschen, als das, was sie ihm bieten können.

Die Adoptionsfachstelle ist unter anderem für den Rhein-Pfalz-Kreis zuständig - und bald auch für den Landkreis Bad Dürkheim. © Alena Kuhn

Idealerweise kommen die werdenden Mütter acht Wochen vor der Geburt zur Adoptionsstelle. Dort werden sie wöchentlich beraten, auch zu Alternativen zur Adoption. Leibliche Eltern und passende Adoptiveltern können sich so vor der Geburt kennenlernen. Es kann jedoch auch sehr schnell gehen, zum Beispiel bei einer vertraulichen Geburt oder wenn das Neugeborene in die Baby-Klappe gelegt wird. Dann kann es sein, dass die Adoptierenden vom einen auf den anderen Tag Eltern werden.

Die leibliche Mutter kann sich jedoch am Anfang jederzeit dazu entscheiden, das Kind doch selbst großzuziehen. Frühstens acht Wochen nach der Geburt kann sie dann beim Notar die Freigabe unterschreiben. Ist der Vater bekannt, unterschreibt auch er. Mit der Unterschrift kann die Adoption nicht rückgängig gemacht werden, auch nicht von den Adoptiveltern.

Adoptionsfachstelle in Ludwigshafen: Großteil der Arbeit besteht aus Betreuung nach Adoption

Englisch-Sessig, Heberger und Zimmerling vermitteln fast ausschließlich Neugeborene an fremde Adoptiveltern. Nachdem ein Baby vermittelt wurde, beginnt der Großteil der Arbeit der drei Mitarbeiterinnen. Sie organisieren Grillabende und Elterngruppen, damit sich die Adoptivfamilien vernetzen können und die Kinder sich nicht allein fühlen. Auch Einzelgespräche, Vorträge und Seminare, zum Beispiel zum Thema Kräftemanagement und Glaubenssätze, bieten sie an.

Biografiearbeit spielt zudem eine große Rolle für die Kinder: In ein Lebensbuch werden Fotos von den leiblichen Eltern geklebt oder sie gemalt. Auch die Adoptiveltern und die persönliche Geschichte kommen darin vor. Die Kinder können außerdem durch die halboffene Adoption jederzeit bei der Fachstelle Informationen zu den leiblichen Eltern erfragen, zum Beispiel zum Aussehen der Mutter oder den Gründen der Adoption. Auch ein persönliches Treffen mit den leiblichen Eltern ist möglich, wenn es beide Parteien wollen. Englisch-Sessig, Heberger und Zimmerling bleiben auch für die leiblichen Eltern nach der Adoption ansprechbar.

Zimmerling war inzwischen schon bei 18. Geburtstagen von Adoptivkindern, bei deren Geburten sie dabei war. „Das ist Beziehungsarbeit“, sagt sie stolz über ihren Job.

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