Mannheim/Heidelberg. "Sobald die Wasserstände sinken, wird die Fahrrinne gepeilt, also nach mitgeschwemmten Hindernissen abgesucht. Wenn es trocken bleibt, könnte die Schifffahrt im Verlauf der Woche wieder freigegeben werden," macht Johanna Reek, stellvertretende Amtsleiterin des Wasser- und Schifffahrtsamtes Heidelberg, gestern wieder Hoffnung. Am Morgen war die Schifffahrt auf dem Neckar bis auf Weiteres vollständig eingestellt worden.
"Hauptursache des schnellen Pegelanstiegs waren die Starkregenfälle in der Nacht von Sonntag auf Montag. Besonders die kleinen Bäche und Neckar-Zuflüsse Kocher, Enz und Jagst konnten die Wassermengen nicht halten und sind dadurch in kurzer Zeit stark angeschwollen. Sie führen teilweise die drei- bis sechsfache Wassermenge", so Werner Schulz, Hydrologe der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz. "In Gundelsheim im Landkreis Heilbronn steigt der Pegel pro Stunde noch um zehn bis 15 Zentimeter. Es dauert etwa sechs Stunden, bis die Wellen in Heidelberg und Mannheim ankommen. Der Höchststand ist noch nicht erreicht," so Jörn Heilmann vom Wasser- und Schifffahrtsamt Mannheim.
Gestern Mittag lag der Pegelstand bei 4,15 Meter. Allerdings entwickelte sich der Anstieg nicht so stark wie zunächst prognostiziert. Laut Prognose der Hochwasservorhersagezentrale Baden-Württemberg soll der Höchststand bei 4,40 Meter erreicht sein (Normalpegel rund 2,20 Meter). Danach soll der Pegelstand wieder zurückgehen.
"Wir rechnen mit einem sogenannten fünfjährlichen Ereignis, das heißt, es werden Höchststände erwartet, wie sie statistisch etwa alle fünf Jahre auftreten. Das fällt schon unter die Ausnahmen. Wir haben das Hochwassersperrtor bei Ladenburg geschlossen, um den Wasserdruck im Seitenkanal herauszunehmen. Außerdem sind alle Wehrverschlüsse geöffnet, das heißt, der Neckar fließt jetzt offen, um Rückstau zu verhindern", sagt Reek.
Hoher Wellengang und Strömung
Für die Schifffahrt bedeutet die Sperre eine Zwangspause. Auch Wassersporttouristen wurden festgehalten. 14 Frachtschiffe und mehrere Sportboote stecken laut Reek auf der Strecke zwischen Mannheim und Heilbronn fest. "Problematisch sind vor allem der hohe Wellengang und stellenweise gefährliche Strömungen an den Zuläufen. Viele Brücken sind nicht mehr passierbar, da die Durchfahrtshöhen durch den hohen Pegelstand zu gering sind", erklärt Reek.
Aufgrund der Neckar-Sperrung wird es auch im Bereich der Feudenheimer Schleuse und im Mannheimer Hafen zu Staus kommen. "Wir haben aber genügend Liegeplätze," ist Heilmann optimistisch. "Auf dem Rhein ist die Lage im Moment noch entspannt. Wir kommen erst ab 7,60 Meter in einen für Schiffe bedenklichen Wert. Momentan gehe ich nicht davon aus, dass es so weit kommt. Wir sind auf jeden Fall in Alarmbereitschaft."
In Ludwigshafen hatte der Rheinpegel gestern Mittag einen Stand von 5,28 Meter erreicht. Da es laut Wetterprognose weiter regnen wird, hat die Feuerwehr der Stadt Ludwigshafen die Betreiber des Filmfestivals auf der Parkinsel, der Sunset Lounge und des Tialini an der Rhein-Galerie sowie des Campingplatzes am Kief'schen Weiher dazu aufgefordert, Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. "Unser Restaurant liegt zum Glück drei Meter über dem Wasser. Wir werden Schutzwände und Sandsäcke aufstellen und hoffen, dass nur ein bisschen Wasser ins Untergeschoss läuft. Dann wären nur die Lagerräume und die Toiletten betroffen. Das ist zum letzten Mal vor drei Jahren passiert. Es sind aber Pegel bis zu acht Meter vorhergesagt. Da müssen wir jetzt abwarten", ist Alex Fuchs, Tialini-Betriebsleiter, noch entspannt.
Gestern wurde bereits der Radweg zwischen Rehbachschleuse und dem "Weißen Häusel" sowie der Vogelpark in Ruchheim gesperrt, da dort der Kreuzgraben über die Ufer getreten war und Teile des Vogelparks überschwemmt hatte.
Auch im Schienenverkehr führten die Unwetter zu erheblichen Einschränkungen. "Unterspülte Gleise, vollgelaufene Unterführungen und viele Oberleitungsstörungen", fasst ein Bahnsprecher die Folgen zusammen. Auf der Strecke zwischen Hochspeyer und Neustadt sorgte ein umgestürzter Baum für lange Verzögerungen. Der ICE von Frankfurt nach Paris habe bis zur Räumung drei Stunden auf der Strecke gewartet. Andere Züge wurden umgeleitet oder zurückgesetzt.
Der Streckenabschnitt zwischen Neckarsulm und Bad Friedrichshall/Mosbach-Neckarelz wurde unterspült und bleibt voraussichtlich noch bis diesen Freitag gesperrt. Bei Mauer hatte sich bereits am Samstagabend eine Schlammlawine am Hang gelöst. Die Strecke war rund vier Stunden blockiert. Zwar investiere die Bahn regelmäßig in Sicherungsmaßnahmen wie Stahldrahtnetze und Erdanker, aber "wenn 100 Liter Regen pro Quadratmeter innerhalb weniger Stunden fallen, versagt auch der beste Schutz", sagt der Bahnsprecher.
Auch Teile des Audi-Werks in Neckarsulm waren unter Wasser gesetzt. Die Produktion stand zeitweise still. Die Feuerwehr Mannheim war dort im Einsatz. "Wir wurden um 4.59 Uhr von den Heilbronner Kollegen zu Hilfe gerufen, da wir ein spezielles Pumpensystem haben", so Rudi Götz, verantwortlicher Diensthabender. Der Einsatz dauere noch bis heute an.
Orkane über Deutschland
- Januar 2015: Die Orkantiefs "Elon" und "Felix" legen vielerorts den Bahnverkehr lahm. Bei Unfällen gibt es Tote und Verletzte.
- Juni 2014: Mit Hagel, starkem Regen und heftigem Wind hinterlässt Tief "Ela" vor allem in Nordrhein-Westfalen eine Spur der Verwüstung. Bilanz: Schäden in zweistelliger Millionenhöhe und mehrere Tote.
- Dezember 2013: Bei Orkan "Xaver" erlebt Hamburg die zweithöchste Sturmflut seit 1825.
- Februar 2010: Orkantief "Xynthia" wütet er in Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Sieben Menschen sterben. (dpa)
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