Mannheim. Polizisten mit Maschinenpistolen vor dem Mannheimer Landgericht, auch drinnen starke Polizeipräsenz und strenge Kontrollen am Einlass zu Saal 1: Vor dem Schwurgericht der Ersten Großen Strafkammer waren am Mittwoch sechs Männer und eine Frau im Alter zwischen 30 und 38 Jahren aus dem Rockermilieu eines Karlsruher Motorrad-Clubs angeklagt. Sie sollen im Dezember 2020 den Besitzer eines Hockenheimer Tattoo-Studios mit Schlägen und Tritten gezwungen haben, ihnen die Rechte an seinem Geschäft per Vertrag zu überschreiben. Außerdem hätten die Beschuldigten eine Umhängetasche mit rund 1000 Euro, einen Fernseher sowie weitere Gegenstände aus dem Besitz des Opfers entwendet. Im Laufe der Attacken soll einer der mutmaßlichen Täter den Geschädigten durch einen Messerstich in die Lunge schwer verletzt haben.
Schon am Einlass zum Saal vor der Sicherheitsschleuse hat sich eine lange Warteschlange gebildet. Angehörige und Freunde der Angeklagten wollen den Prozessbeginn unbedingt mitverfolgen. Doch unter Corona-Bedingungen wird nur 15 Zuhörern Zutritt gewährt, was im Foyer des Landgerichts Frust und Ärger auslöst. Auch drinnen im Saal sind Justiz- und Polizeibeamte präsent, als die sieben Angeklagten und ein Dutzend Rechtsanwälte in dicht gedrängten Reihen Platz nehmen.
Und so soll sich laut Staatsanwalt Knobloch die Tat abgespielt haben: Einer der Täter habe sich mit dem späteren Opfer zu einem Geschäftstermin im Tattoo-Studio verabredet. Die Angeklagte Natascha L. soll den Laden vorher aufgeschlossen haben, so dass bereits sechs bis sieben Personen – mit Eisenstangen, Messern und Quarzhandschuhen bewaffnet – auf den Mann gewartet hätten. Weitere Männer seien dazugekommen, alle hätten dann den Studiobesitzer mit Schlägen und Tritten traktiert. Als sich der Angegriffene mit einem Schlag auf die Nase von Leutrim K. gewehrt habe, soll dieser ihn mit dem Messer im Bereich des Schulterblatts verletzt haben. Durch die Misshandlungen eingeschüchtert, habe der Geschädigte den Verzichtsvertrag unterschrieben und sei mit seinem Auto weggefahren, kurz darauf aber zurückgekehrt, um seine Umhängetasche mit dem Geld zu holen. Bei der Rückkehr soll es dann zu weiteren Auseinandersetzungen gekommen sein. Dabei habe Natascha L. dem Opfer eine Glasflasche auf den Kopf geschlagen. Infolge der Stichverletzung habe der Studiobesitzer notoperiert werden müssen, so die Staatsanwaltschaft.
Mutmaßliche Täter schweigen
Die Anklage gegen Leutrim K. lautet auf versuchten Totschlag. Er und vier weitere Männer werden außerdem des besonders schweren Raubs, gefährlicher Körperverletzung sowie räuberischer Erpressung beschuldigt. Die fünf Männer befinden sich in Untersuchungshaft. Natascha L. und Hagen R. sind wegen Beihilfe beziehungsweise Anstiftung angeklagt. Die Sieben wollen vorläufig zu den Anschuldigungen schweigen.
In einem zweiten Anklagepunkt wird der Frau vorgeworfen, sie habe den Angeklagten Hagen R. ab Juni 2020 in der JVA Mannheim über einen bestochenen Justizbeamten mit Marihuana, Haschisch, Kokain sowie Mobiltelefonen versorgt. Der Deal war Mitte 2020 aufgeflogen.
Mit einem juristischen Scharmützel endete der erste Prozesstag. Die Mannheimer Anwältin Miriam Haas bemängelte „die vorschriftswidrige Besetzung“ der 1. Strafkammer. Weil sich der vorgesehene Richter im Oktober/November in einem dreiwöchigen Urlaub befindet, war Richterin Völker als Ersatz-Besitzerin bestellt worden. Das halten Haas wie auch die anderen Verteidiger für unzulässig. Urlaub sei kein Grund für eine Umbesetzung der Kammer. Dazu der Vorsitzende Richter Gerd Rackwitz: „Die Hauptverhandlung wird fortgesetzt. Die Besetzung beeinträchtig die Verhandlung nicht.“ Er hat bis zum 29. November neun Verhandlungstage angesetzt.
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