Alarm in Mannheim: Rapperin Haiyti rockt die Alte Feuerwache

Neun Studioalben, Millionen Klicks bei YouTube und dennoch kein Durchbruch. In der Alten Feuerwache in Mannheim beweist die Deutschrapperin Haiyti, warum das absurd ist

Von 
Moritz Serif
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Mannheim. Haiyti, die wohl beste und experimentierfreudigste Rapperin Deutschlands, hat in der Alten Feuerwache Mannheim ein wahrhaftiges Rap-Feuerwerk abgebrannt. Wer Ronja Zschoche – ihr bürgerlicher Name – noch nicht kennt, sollte das Mysterium Haiyti unbedingt nachholen.

Kindheit voller Kontraste

Das Mysterium beginnt bereits bei ihrem genauen Alter, das der Öffentlichkeit nicht bekannt ist. Der Legende nach soll die Hamburger Rapperin zwischen 30 und 35 Jahre alt sein. Seit ihrem Debüt „Havarie“ 2015 hat sie neun Studioalben veröffentlicht und Millionen Klicks bei YouTube und Konsorten generiert. Absurderweise bleibt sie dennoch ein Geheimtipp in der Rapszene. Ihr unverwechselbarer Gangsta-Rap-Sound, der größtenteils von wuchtigen Trap-Beats getragen wird und von Künstlern wie Three 6 Mafia und Gucci Mane inspiriert ist, wurzelt tief im Hamburger Schanzen-Underground und findet gleichzeitig Anklang im Feuilleton.

 Haiytis Kindheit war ebenfalls voller Kontraste. Ihre Mutter arbeitete als Taxifahrerin und später als Musiklehrerin, während sie die glamourösen Sommer auf der Yacht ihres Vaters, dem kroatischen Musiker und Musikproduzenten Vitale, an der Adria genoss. Ihr Großvater, Herrmann Zschoche, ist ein bekannter Drehbuchautor und Filmregisseur.

 Ihre Texte handeln von realen, aber überspitzten Erlebnissen aus der Hamburger Unterwelt. Sie verbringt viel Zeit mit Zuhältern, Prostituierten und Kleinganoven und fängt diese Welt in ihren Liedern ein.

 Zurück zum Konzert, das sich hauptsächlich auf ihr aktuelles Album „JUNKY“ konzentrierte. „JUNKY“ beginnt mit Trap-Beats und wandelt sich in ein kitschiges Kirmes-Techno-Werk, das gleichzeitig trashig und kunstvoll ist. Im ersten Lied „UP TO DATE“, das mit einem drückenden Trap-Beat unterlegt ist, heißt es „Robbery, Chayay lieben, Schieb ’Kokain über Schienen“.

 Haiyti, trägt dunkles Haar, weiße Bluse, Designerhose. Obwohl das Konzert nicht ausverkauft war, sind ihre treuesten Fans gekommen. Das Publikum war bunt gemischt – von jungen Leuten bis zu älteren Fans um die 60.

Mischung aus Herzschmerz und Kirmes-Techno

 „Was geht ab Chewbacca? Du bezahlst mit Cash, ich bezahl ’mit Pain“, rappt sie in „DEE“. Währenddessen tanzt sie wild auf der Bühne, läuft auf und ab, hüpft auf der Stelle und sucht den Kontakt zu ihren Fans. „Party Gangster“ bringt Dancehall-Vibes und Herzschmerz, während „Heute Nacht“ wie Kirmes-Techno und Boxauto-Musik klingt, aber vor allem live begeistert.

 „Ich will, dass ihr tanzt in der eiskalten Stadt“, ruft die Rapperin in die Menge. Ihre krächzende Stimme, gut geölt in den Kneipen Hamburgs, hat etwas Raues und Kraftvolles an sich.

 Die Mischung aus Herzschmerz und Kirmes-Techno setzt sich in Songs wie „Fast an dich gedacht“, „König der Unterwelt“, „Ich will dass es regnet“, „Weißer Sand“ und „Porsche geparkt“ fort. Plötzlich verstummt die Musik. „Mannheim, lebt ihr noch? Ich komme gleich wieder!“, verspricht die Rapperin.

 Kurz darauf kehrt sie in einem neuen Outfit auf die Bühne zurück – rotes Top mit der Aufschrift „Haiyti“ und Designer-Trainingshosen. Jetzt kommen die Klassiker. „Hände hoch, ich schieß’, das hier ist ein Überfall“, rappt Haiyti in „Robbery is back“. Es folgt „Single“ von ihrer Jango EP aus 2016. „Angst“ thematisiert das Unvermögen, mit dem Trinken aufzuhören.

 Immer wieder hält sie das Mikrofon dem Publikum entgegen, animiert die Fans zum Mitrappen, was auch gelingt. In „Sweet“ verspottet Haiyti ihre Rap-Kollegen: „Was sie für die Klicks tun, ist fast schon wieder sweet“. Das Konzert wird immer intensiver, denn die Rapperin haut eine Rap-Granate nach der anderen heraus, dreht Pirouetten und performt ihre neue Single „Blei“.

 Nach zwei Zugaben ist dann leider doch Feierabend. Zumindest mit der Musik. Haiyti kommt noch zum Merchstand, schreibt Autogramme und posiert für Fotos mit ihren Fans. Wahnsinn, wo gibt’s denn heute noch sowas? Haiyti – Deutschrap seine Mutter!

Freier Autor

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