Bruchgelände

AfD-Parteitag in Ketsch: Selbstglorifizierung vs. Freiheitsplädoyer

Während die AfD Baden-Württemberg beim Landesparteitag in Ketsch über Satzungsänderungen abstimmt, feiern die Demonstranten auf dem Bruchgelände davor ein Herbstfest der Vielfalt und setzen ein Zeichen für die Freiheit

Von 
Henrik Feth
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Ein Bündnis hatte zur Gegendemonstration vor der Rheinhalle in Ketsch aufgerufen. Dort tagte die baden-württembergische AfD. © Andreas Gieser

Ketsch. Es ist früher Samstagmorgen, kurz vor 9 Uhr – zu dieser Zeit geht es im Ketscher Bruchgelände normalerweise ruhig zu, ein paar Spaziergänger mit ihren Hunden oder Radfahrer, die hier ihre Wochenendtour starten. Doch wenn die baden-württembergische Alternative für Deutschland (AfD) sich dazu entschließt, ihren Landesparteitag in der Rheinhalle abzuhalten, dann ist auch in der Enderlegemeinde eines garantiert: Widerstand und Demonstration.

So auch an diesem Samstag, denn das Bündnis für Demokratie und Vielfalt (BVD) hat nicht nur erstmals ein Herbstfest als Zeichen der Ablehnung gegenüber der als rechtsextrem geltenden Partei organisiert, sondern gleichzeitig auch zwei Demonstrationszüge. Erster davon läutet den Start des Tages ein: Vom Marktplatz aus laufen am frühen Morgen schon gut 200 Demonstranten bis zur Rheinhalle und zeigen dort lautstark den Widerstand gegen die AfD.

Hauptthema beim AfD-Landesparteitag ist Satzungsänderung

Gleichzeitig versammeln sich die fast 800 Mitglieder der Partei in der Rheinhalle. Beim Landesparteitag steht als Haupttagespunkt eine Satzungsänderung an, die besagen soll, dass zukünftig sogenannte Delegiertenparteitage abgehalten werden dürfen. Laut Aussage des Landesvorsitzenden Markus Frohnmeier eine Reaktion auf „die wachsende Mitgliederzahl“.

Die AfDler starten ihre Versammlung mit einem gut 15-minütigen Film, der die Wahlerfolge der Partei mit einem hohen Maß an Selbstglorifizierung und Slogans wie „Politische Entscheidungen müssen in verantwortliche Hände gegen werden“ thematisiert. Zunächst übernimt der AfD-Kreisverbandsvorsitzende Karlheinz Kolb die ersten Worte der Begrüßung.

Der Landesvorsitzende der AfD Baden-Württemberg, Markus Frohnmaier, beim Landesparteitag in der Rheinhalle in Ketsch. © Andreas Gieser

Auf dem Bruchgelände läuft parallel das von Florian Reck (BDV) moderierte Programm an. Hierbei begrüßen die beiden Mitorganisatoren vom BDV Kai Schäfer und Linh Ngo die gut 300 Demonstranten und Verfechter der Freiheit. Diese dürfen sich auf ein großes Angebot an Infoständen mit Aktionen und Kulinarik freuen. Beim Blick durch die Reihen auf dem Bruchgelände wird klar: Das Wort Bündnis passt perfekt zu diesem Zusammenschluss.

Denn es haben sich Institutionen und Parteien aus den unterschiedlichsten Bereichen am Herbstfest der Vielfalt beteiligt: Von den Ketscher Ortsverbänden der SPD und Grünen, dem Kreisverband der Linken bis hin zu Organisationen wie den Offenen Antifaschisten Treffs, der Gewerkschaft „Ver.di“ samt deren Jugendorganisation oder auch Vereine und Stiftungen wie die Animal Rights Watch und die Initiative Regenbogen. Die kulinarische Auswahl umfasst zudem zahlreiche vegetarische Gerichte und eine große Variation an Getränken – ein wahres Herbstfest also.

Da das Aufeinandertreffen der AfD und deren Gegner auch immer gewisse Gefahren birgt, ist das Polizeipräsidium Mannheim mit einem Großaufgebot samt kleiner Reiterstaffel vor Ort und sperrt auch den Verkehr in der Ketscher Ortsmitte komplett ab. Letztendlich bleibt die ganze Veranstaltung jedoch – bis auf einige verbale Auseinandersetzungen – friedlich.

Nichtsdestotrotz sind das Herbstfest und die Demonstrationen ein Dorn im Auge der AfDler, wird bei den Wortbeiträgen in der Rheinhalle mit abwerteten Kommentaren deutlich. Während Kolb noch recht harmlos von „unfreundlichen Besuchern“ sprciht, geht der Landesvorsitzende Frohnmeier mehrere Schritte weiter. „Ihr habt heute schon alle eine gute Tat hinter euch: Wenn die hier draußen gegen uns demonstrieren, können sie schonmal nicht am Bahnhof stehen und Leute belästigen“, sagt Lohnmeier zu den AfD-Mitgliedern.

Demos gegen die AfD in Ketsch wollen die Lügen der Partei aufdecken

Eben jenes Verhalten der von Verfassungsschutz beobachteten Partei ist eines der Gründe, weshalb Widerstände wie das Herbstfest der Vielfalt sich gegen diese Art des Rechtspopulismus stellen, wie Kai Schäfer beschreibt: „Die AfD kommt hier nach Ketsch, auch weil die Verkehrsanbindung relativ problematisch ist, um eine Masse an Gegendemonstranten in die Gemeinde zu transportieren. Umso zufriedener sind wir, dass so viele Menschen trotz des sehr kalten Wetters den Weg ins Bruch gefunden haben. Denn es gibt nichts Wichtigeres, als die Lügen der AfD aufzudecken.“

Dafür haben sich die drei Hauptorganisatoren des BDV Florian Reck, Kai Schäfer und Linh Ngo auch ein passendes Bühnenprogramm ausgedacht: Livemusik unplugged von vielen talentierten Künstlern, Kundgebungen von Vertretern unterschiedlicher Organisationen wie beispielsweise Grünen-Bundestagskandidat Dr. Thomas Rink oder ein Poetry Slam sind nur einige der facettenreichen und gut organisierten Programmpunkte.

„Demokratie schützen“ oder „AfD wählen ist so 1933“ sind nur einige Beispiele für die vielen Protestschilder, die im Bruch gezeigt werden. Außerdem ist ein gut 20 Meter langer Klimazeitstrahl, der die Entwicklung des Weltklimas von 1850 bis 2100 anschaulich darstellt, eine der aufklärenden Attraktionen.

Beim Herbstfest im Bruch wird nicht nur die Vielfalt gefeiert, sondern auch Sensibilisierungsarbeit mit zeitaktuellen Themen geleistet. Die starke Beteiligung an den Demonstrationszügen freut auch Silke Makowski vom Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten: „Es ist großartig, dass wir es geschafft haben, ein so breites Bündnis aufzustellen. Mit den Demos wollen wir zeigen, dass wir alle an einem Strang gegen Rechts ziehen und diese Message auch an die Ketscher und in den Ort tragen.“

„Es war wichtig, der AfD zu zeigen, dass sie hier nicht willkommen ist – und auch an keinem anderen Ort. Unsere Bündnisse werden überall gegen die Rechten stehen“, ergänzt Fabian vom Offenen Antifaschistischen Treff Mannheim.

So läuft das Herbstfest im Bruch weiter friedlich und mit guter Stimmung, während die AfD-Mitglieder in der Rheinhalle mit gut 80 Prozent und in Abwesenheit ihrer Gallionsfigur Alice Weidel für die vorgeschlagene Satzungsänderung stimmen und zukünftig einen Delegiertenparteitag abhalten werden.

Herbstfest gegen Rechtsaußen in Ketsch: Ein Zeichen setzen

Mitorganisator Florian Reck, der auch beim Schwetzinger ADFC aktiv ist, zieht ein positives Fazit vom Herbstfest: „Ich freue mich, dass sich viele verschiedene Organisationen mit vielen Aktionen beteiligt haben – auch lokale Unternehmen haben mitgemacht. Besonders stolz bin ich, dass trotz des Wetters so viele Menschen gekommen sind, um ein Zeichen gegen die AfD und deren Ideologie zu setzen.“

Ihm zur Seite steht die Schwetzingerin Linh Ngo, die sich auch bei Fridays for Future engagiert: „Wir zeigen hier, dass die Gesellschaft vielfältig ist und die schöne Stimmung sowie der friedliche Ablauf untermalen das nochmals. Die Menschen haben mehr Angst vor der AfD als beispielsweise vor Migrationen, wie eine Studie kürzlich bewies. Umso wichtiger ist es, sich der Rechten entgegenzustellen. Denn wir können gemeinsam für eine andere Zukunft sorgen.“

Und obwohl die AfD den Landesparteitag in Ketsch lange unter der Decke halten wollte, seien so viele Menschen zum Protest gekommen, ergänzt Sara Tot vom DGB. „Man muss keine Angst vor dem Antifaschismus haben, wir sind keine vermummten Schläger.“ Auch die beiden Kreissprecherinnen der Linken Mara Zellmann und Michelle Schäfer schließen sich der allgemeinen Meinung der Organisatoren und Teilnehmer an: „Wir freuen uns, der AfD eine solche bunte und vielfältige Veranstaltung entgegen setzen zu können.“

Glühwein und Hornissen gegen die AfD

Als der Nachmittag langsam anbricht, startet der zweite Demonstrationszug und die verschiedenen Stände des Herbstfestes haben noch genügend zu tun. So auch Günter Martin am Glühweinstand der Grünen Ketsch, der schnell zum Treffpunkt für freundliche Gespräche wird – trotz einer kleinen Invasion Asiatischer Hornissen.

Für Ketschs Bürgermeister Timo Wangler verläuft die Veranstaltung nach seinen Vorstellungen: „Es war sehr friedlich und das Ordnungsamt sowie die Polizei waren gut aufgestellt. Die starke Trennung der beiden Gruppen war ebenfalls ein guter Entschluss. Schade, dass es im Vorfeld noch einige vandalistische Vorfälle gab.“ Damit bezieht sich das Gemeindeoberhaupt auf den am Freitag mit roter Farbe beschmierten Haupteingang der Rheinhalle sowie weitere farbliche „Kunstwerke“ im Ort.

Als Fazit bleibt: Obwohl nicht die erwartete Zahl von über 1000 Demonstranten erreicht wurde, ist das Herbstfest der Vielfalt ein Erfolg. Die AfD Baden-Württemberg zieht ihren Landesparteitag zwar planmäßig durch und wird sich jedoch des Widerstands in der Bevölkerung erneut bewusst gemacht haben.

Während das Herbstfest der Vielfalt mit unplugged Livemusik und tanzenden Menschen ein Ende findet, zelebriert die AfD das Ende ihres Parteitages mit dem Singen der deutschen Nationalhymne. Ein Kontrast, der wohl nicht besser auf diesen Samstag in Ketsch passen könnte.

Redaktion Verantwortlicher Redakteur für die Gemeinde Ketsch

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