Kommentar 9-Euro-Ticket trägt das falsche Preisschild

Bernhard Zinke zu den ersten Trends beim 9-Euro-Ticket

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Bernhard Zinke
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Mehr als 26 Millionen Menschen in Deutschland haben sich ihr persönliches 9-Euro-Ticket schon gekauft. Klar, dass Verkehrsminister Volker Wissing das Projekt als Teil des Entlastungspakets schon jetzt als vollen Erfolg feiert. Tatsächlich steigen seit Monatsbeginn erkennbar mehr Menschen in Busse und Bahnen. Und das offensichtlich nicht nur am Wochenende.

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Der Chef der Bahn-Tochter DB Regio Mitte bilanziert in einem ersten vorsichtigen Trend, dass im Verkehr an Werktagen die Fahrgastzahlen aus den Vor-Corona-Zeiten nicht nur erreicht, sondern sogar überschritten werden. Auch die anderen Verkehrsträger der Region melden gestiegene Fahrgastzahlen. Allerdings mahnen alle, nicht voreilige Schlüsse zu ziehen. So gibt es von Bahn-Seite aus keine belastbaren Daten, um welche Uhrzeiten die Menschen in die Regionalzüge gestiegen sind. Es lässt sich also nicht beurteilen, ob die neuen Fahrgäste im Berufsverkehr unterwegs sind oder zu anderen Tageszeiten. Schließlich waren in Baden-Württemberg direkt in den ersten beiden Wochen der Gültigkeit des neuen Tickets Pfingstferien – Gelegenheit für ganze Familien, kostengünstig in Urlaub zu fahren oder Ausflüge zu unternehmen.

Die Investition des Bundes von immerhin 2,5 Milliarden Euro in die Finanzierung des drei Monate dauernden Projekts rentiert sich allerdings nur, wenn die Bürgerinnen und Bürger auch ab September dauerhaft den Öffentlichen Nahverkehr nutzen. Nur wird es da möglicherweise bald schon Überraschungen geben. Schließlich stehen teure Aufgaben bevor. Fuhrparks müssen auf alternative Antriebe umgerüstet werden. Und das bedeutet nicht nur die Anschaffung von E-Bussen, sondern auch die Ausrüstung der Betriebshöfe mit intelligenter Ladeinfrastruktur. Denn wenn das nicht geschieht, gehen in der Nacht plötzlich die Lichter aus, wenn alle E-Busse auf einmal ihre Batterien laden.

Das 9-Euro-Ticket ist ein Appetit-Häppchen für den Nahverkehr, unschlagbar günstig, aber es trägt das falsche Preisschild angesichts der aktuellen und vor allem künftigen Kosten. Es ist eine politische Frage, ob der ÖPNV dauerhaft derart günstig bleiben soll oder nicht. Dies zu beantworten, ist angesichts der gewaltigen, vielfältigen finanziellen Herausforderungen des Staates die Gretchenfrage.

Aber man mag es wenden, wie man will. Anwohner in pfälzischen Dörfern, in denen vier Busse am Tag vorbeischauen, werden sich durch keinen politischen ÖPNV-Preis der Welt zum Umstieg bewegen lassen.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen