Mobilität - Anstieg der Fahrgastzahlen vor allem in den regionalen Schnellzügen der Bahn erkennbar

9-Euro-Ticket beschert dem Nahverkehr in der Region deutliche Zuwächse

Von 
Bernhard Zinke
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Für neun Euro pro Monat können die Fahrgäste im Juni, Juli und August bundesweit im ÖPNV und Regionalverkehr fahren. © Carsten Koall/dpa

Rhein-Neckar. Mit der Interpretation der ersten Trends tun sich die Experten aktuell schwer. Dazu sei die Zeit zu kurz, die ersten drei Wochen mit zwei langen Wochenenden nicht typisch. Eines bestätigen jedoch sowohl die Regionalgesellschaft der Deutschen Bahn, Rhein-Neckar Verkehr (RNV) und auch die Busunternehmer innerhalb des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar (VRN): Die Zahl der Fahrgäste ist seit Anfang Juni gestiegen. Und das ist zweifellos die Folge des 9-Euro-Tickets. In den Nuancen fallen die Steigerungsraten indessen unterschiedlich aus.

Der Regionalverkehr der Bahn sei jetzt schon werktags stärker ausgelastet als in Vor-Corona-Zeiten, bestätigte Maik Dreser, Vorsitzender der Regionalleitung DB Mitte, am Rande der jüngsten Versammlung des Zweckverbands Verkehrsverbund Rhein-Neckar (ZRN), im Gespräch mit dieser Redaktion. Allerdings warnt er nachdrücklich vor falschen Schlüssen. Diese Steigerung bedeute nicht zwangsläufig, dass auch mehr Berufspendler in die Regionalbahnen umgestiegen seien. Es lägen noch keine Daten vor, zu welchen Tageszeiten die Menschen verstärkt den Zug genommen hätten.

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Deutliche Zuwächse verzeichnet die Bahn im Freizeitverkehr am Wochenende. Etwa zwei Prozent der Züge seien höchst ausgelastet. Allerdings komme es nach dem ersten Ansturm am Pfingstwochenende nun nur noch in Ausnahmen vor, dass Fahrgäste aus Platzgründen nicht mitgenommen werden könnten. Das habe meist damit zu tun, dass diese Fahrgäste ihr Fahrrad mit dabei hätten. Erkennbar ist laut Dreser auch, dass die Züge wie der Süwex, der die Metropolregion durch schnelle Verbindungen mit den benachbarten Zentren wie Frankfurt, Mainz, Karlsruhe und Saarbrücken verbindet, die höchsten Steigerungsraten erleben.

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Der Fahrgastzuwachs hat entsprechende Folgen. Die Haltezeiten an den Bahnhöfen seien durch die längeren Ein- und Ausstiege um rund 30 Prozent gestiegen. Dadurch kommt es zu deutlichen Verspätungen. „Aber auf Pünktlichkeit liegt aktuell nicht unser Fokus“, sagt Dreser. Entscheidend seien vielmehr die Stabilität der Verbindungen und des Transports. Auch die S-Bahn Rhein-Neckar, die ebenfalls in der Verantwortung von DB Regio Mitte fährt, verzeichnet Zuwächse. Hier habe man den Ansturm jedoch mit der Erhöhung der Kapazitäten auffangen können. Zum Teil sind die S-Bahnen mit Doppel- oder sogar Dreifachzügen unterwegs. Deutlich stärker belastet seien dagegen die Regionalzüge. „Das alles ist ein wahnsinniger Kraftakt, der die Mitarbeiter an ihre Grenzen bringt.Alle arbeite auf 150 Prozent. Aber noch ist das System stabil. Der Zusammenbruch des Öffentlichen Nahverkehrs hat jedenfalls nicht stattgefunden“, sagt Dreser.

Stand wie in Vor-Corona-Zeit

Christian Volz, kaufmännischer Chef der RNV, die Busse und Bahnen im Stadtverkehr von Mannheim. Ludwigshafen und Heidelberg betreibt, sieht die Fahrgastzahlen der Vor-Corona-Zeit nun wieder erreicht. Vor Einführung des 9-Euro-Tickets hatte die RNV zuletzt rund 80 Prozent der Fahrgäste im Vergleich zum Jahr 2019 transportiert.

Auch hier finden die großen Zuwächse im Freizeitverkehr am Wochenende statt, wo die RNV die Ausflugslinien 5 und 9 mit größeren Fahrzeugen auf die Gleise schickt. 170 000 der 9-Euro-Tickets hat die RNV mittlerweile verkauft, davon allerdings nur knapp ein Viertel auf digitalem Weg.

Die Busunternehmen im VRN zählen etwa 20 Prozent mehr Fahrgäste am Wochenende und zehn Prozent mehr an Wochentagen, wie Karl-Reinhard Wissmüller, Gerschäftsführer der Verkehrsgesellschaft Gersprenztal (VGG) berichtet. Das sei alles derzeit noch gut händelbar. Die Busunternehmer fürchten allerdings, dass vor den Sommerferien möglicherweise große Schülergruppen zu Klassenausflügen in die Linienbusse steigen. „Das könnte zum echten Problem werden“, mahnt Wissmüller.

Das Publikum nehme das Angebot der 9-Euro-Tickets dankbar an, weiß der VGG-Chef, fürchtet aber, dass der konkurrenzlos günstige Preis falsche Erwartungen weckt. Die Branche stehe vor großen Herausforderungen, nicht nur durch absehbare Tariferhöhungen für das Personal, sondern auch durch die Umrüstung der Busse auf alternative Antriebe. „Wir alle wollen die Verkehrswende. Aber wir müssen sie auch finanziell stemmen können“, so Wissmüller.

Was das 9-Euro-Ticket die Verkehrsbetriebe unterm Strich kosten wird und ob die aufgerufene Summe von 2,5 Milliarden Euro reicht, werde sowieso erst am Ende des Jahres feststellen, sagt Stefan Groer vom hessischen Verkehrsministerium.

Immerhin habe man es mit den zugesagten 2,5 Milliarden Euro geschafft, dass der ÖPNV als erste Schlagzeile in der Tagesschau genannt worden sei, sagte VRN-Geschäftsführer Volkard Malik in der ZRN-Verbandssitzung. Das sei allerdings ein ziemlich hoher Preis für eine Marketingkampagne, findet ZRN-Vorsitzender Christian Specht und erneuert seine Kritik an der Aktion und dem seiner Meinung nach fehlgeleiteten Geld. Entscheidend sei der nachhaltige Effekt. Ob der sich einstellt und das 9-Euro-Ticket mehr Menschen zum dauerhaften Umstieg auf Busse und Bahnen verleitet, daran hat er seine massiven Zweifel. „Wir müssen irgendwann auch das richtige Preisschild an den öffentlichen Nahverkehr dranmachen“, sagt Specht und fordert vom Bund ein „Sondervermögen Mobilität“, aus dem jährlich mindestens elf Milliarden Euro in den öffentlichen Nahverkehr in Deutschland fließen müsse.

Kritik äußerte in der Verbandsversammlung auch Susanne Ganster, Landrätin aus der Südwestpfalz. In manchen Gemeinden dort fahren gerade mal eine Handvoll Busse am Tag, manche Kommune hat nicht mal eine behindertengerechte Haltestelle. Ganster: „Das 9-Euro-Ticket ist eine tolle Sache - wenn man es überhaupt nutzen kann.“

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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