Neustadt/Frankenthal. Ist der 53-jährige Mann aus Neustadt bei einem Polizeieinsatz am vergangenen Mittwoch wegen des Einsatzes eines sogenannten Tasers gestorben? Das lässt sich auch nach der Obduktion des Leichnams nicht zweifelsfrei beantworten. „Die Todesursache konnte nicht eindeutig festgestellt werden“, schreiben die zuständige Staatsanwaltschaft Frankenthal und das Polizeipräsidium Rheinpfalz in einer gemeinsamen Presseerklärung. Hinweise auf eine Gewalteinwirkung von außen hätten sich nicht ergeben. „Vermutlich starb er an einem Herzinfarkt“, so die Erklärung.
Wie bereits berichtet, hatten sich am Mittwochabend vergangener Woche dramatische Szenen in der Neustadter Rotkreuzstraße abgespielt. Die Polizei war alarmiert worden, weil ein 53-jähriger Mann in der Rotkreuzstraße herumgeschrien und Bewohner nicht mehr in ein Mehrfamilienhaus gelassen habe. Gegenüber den Polizeibeamten sei er sofort aggressiv geworden, habe sich nicht beruhigen lassen und die Beamten körperlich angegriffen. Daraufhin setzten diese Pfefferspray und einen Taser ein. Auch als er gefesselt wurde, habe der Mann sich massiv gewehrt und eine 26-jährige Polizeibeamtin gegen den Kopf getreten. Kurz darauf hat der Mann nach Darstellung der Polizei einen Kreislaufstillstand erlitten. Sofortige Wiederbelebungsmaßnahmen der Einsatzkräfte und eines Notarztes scheiterten. Der Mann starb. Die Polizeibeamtin musste im Krankenhaus behandelt werden und war nicht mehr dienstfähig.
„Wir können gegenwärtig noch nicht beantworten, woran der Mann letztendlich gestorben ist“, sagt der Frankenthaler Leitende Oberstaatsanwalt Hubert Ströber. Deshalb habe man nach der Obduktion weitere histologische und toxikologische Untersuchungen angeordnet. Im Klartext: Die Gerichtsmediziner sollen herausfinden, ob der Mann Drogen und/oder Alkohol zu sich genommen hat. Außerdem soll die Analyse von Gewebeproben zeigen, ob der 53-Jährige an Krankheiten litt. Die Obduktion habe ergeben, dass die Mann gesundheitlich offenbar nicht stabil gewesen sei. „Er hatte ein massiv vergrößertes Herz“, erläutert Ströber ein Ergebnis des Obduktionsberichts. Es gebe zudem keinerlei Hinweise auf eine äußere Gewalteinwirkung, abgesehen von den Schädigungen, die durch die Wiederbelebungsmaßnahmen entstanden seien.
Bewertung extrem schwierig
Sebastian Kunz, Professor am Uniklinikum in Ulm, Leiter der dortigen Rechtsmedizin und ausgewiesener Experte in Sachen Taser-Forschung, will zum konkreten Fall keine Einschätzung abgeben, warnt aber generell ausdrücklich vor vorschnellen Urteilen. „Die Bewertung einer Einsatzsituation ist extrem schwierig“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. „Ich bin überzeugt davon, dass die Taser-Technologie an gesunden Menschen keine relevanten Veränderungen im Körper nach sich zieht“, so Kunz. Die geringe Stromstärke mit einem Impuls von fünf Sekunden könne ein Mensch verkraften. Das hat der Professor am eigenen Leib ausprobiert. „Das ist nicht angenehm“, weiß er. Klar löse der Elektroschock kurzfristig eine erhöhte Pulsfrequenz, erhöhten Blutdruck aus, „das ist purer Stress für den Körper“. Problematisch werde es eben dann, wenn weitere Stressfaktoren für den Körper hinzukommen wie Drogen- oder Alkoholkonsum, vorhergehende körperliche Auseinandersetzungen. Dann könne der zusätzliche Stressmoment durch eines Tasers zum Tod beitragen. „In Kombination mit vielen Faktoren kann der Taser der berühmte Tropfen sein“, bestätigt Sebastian Kunz.
Bislang sind vor dem Neustadter Fall erst vier Todesfälle nach einem Taser-Einsatz in Deutschland dokumentiert: in Fulda, Nürnberg, Pirmasens und Frankfurt. In allen Fällen sei der Taser nicht direkt und alleinig schuld am Tod der Menschen gewesen, hat Kunz erforscht.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/metropolregion_artikel,-metropolregion-53-jaehriger-aus-neustadt-stirbt-an-herzinfarkt-war-der-taser-toedlich-_arid,1864227.html