Ab Montag gilt Maskenpflicht - beim Einkaufen und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Ein paar Tage zuvor in der sonnigen Mannheimer Neckarstadt-West. Ein Auto fährt an Jojo Giese und Bärbel Steegmüller vorbei. Eine Frau lehnt sich heraus: „Was haben Sie denn für tolle Masken an?“, ruft sie. Der Mann auf dem Beifahrersitz nickt zustimmend. Und in der Tat: Giese und Steegmüller tragen ganz besondere Modelle. Selbstgemachte. Mit Sichtfenster aus Vinyl, das aus einer zerschnittenen Tischdecke stammt.
Musternde Blicke auf gemusterte Masken. Wer hat sie noch nicht erlebt in diesen Tagen? Die Menschen beobachten: Wer trägt was und vor allem wann und wie? Und ja – auch der Stil der Maske steht im Vordergrund. Doch bei den Neckarstädterinnen Steegmüller und Giese hat die kreative Schneiderei auch noch einen anderen Grund. Als Sonderpädagogin für Hörgeschädigte hat Giese bei der Debatte um Mund-Nasen-Masken gleich an Schwerhörige, Gehörlose und Gebärdensprachler denken müssen. Die seien „auf das Mundbild“ angewiesen, um zu verstehen oder sich auszudrücken, erklärt sie. Beim Sprechen sende man über den Mundbereich kleine Details, die für das Verstehen enorm wichtig sind, so die Mannheimerin.
Die beiden reagierten daher ganz schnell. In Windeseile wurden Prototypen hergestellt, mal aus einer aufgeschnitten Plastikflasche, mal aus einer Vinyltischdecke. Letztere hat sich bewährt. Steegmüller, die Kostümschneiderin der Mannheimer Freilichtbühne ist, beäugte Anleitungen aus dem Internet kritisch. Und so kamen sie nach vielen Tests zur jetzigen Variante. „Die Maske mit Vinyl habe ich bei 60 Grad gekocht, keine Verformung“, sagt Steegmüller. Ein Schuss Essig müsse dazu, damit keine Kalkreste bleiben, empfiehlt sie. Viele fragten, ob die Maske nicht beschlage, berichtet Giese. „Wenn man die Treppen läuft und nach einiger Zeit schon etwas“, erklärt die 30-Jährige. Einen Mini-Tropfen Spüli darauf verreiben, hätten sie dagegen getestet, das sei ganz gut gewesen.
Und nähen immer nur die Frauen? „Meine Söhne können auch nähen“, berichtet Steegmüller und erzählt, was die schon alles gestaltet hätten. Sogar ein Schottenrock war dabei. „Mit kostümschneidernder Mutter wurde es ihnen in die Wiege gelegt - sie sind damit aufgewachsen und haben es gelernt.“
Was beide betonen: „Wir sind keine Firma und keine Produktion“, sagt Giese. Ihnen war wichtig, die Anleitung im Netz „Open Source“ (also für jeden frei und kostenlos verfügbar) zur Verfügung zu stellen. Man wolle allen, die jetzt „doppelt belastet“ seien - und auch deren Umfeld - Hilfe zur Selbsthilfe geben. „Schauen Sie, wie einfach das herstellbar ist. Hier habe ich ein altes Laken, Schnürsenkel und ´ne Tischdecke“, sagt sie und hält eine rote Maske hoch. Ihr ist zudem wichtig, dass auch sonderpädagogische Schulen oder zum Beispiel Heime von der Anleitung profitieren können. Und so möglichst schnell geschützt zum Schulbetrieb und zum Alltag zurückkehren können. Daher haben sie die Anleitung ins Netz gestellt, unter anderem als Video auf Youtube. Zudem hat Giese noch eine Facebook-Seite angelegt.
Auch Barbara Spies aus Wallstadt hat anfangs erst einfachste Materialien zum Herstellen ihrer „klassischen“ Stoffmasken verwendet. „Das da hinten ist der Rest von meiner Wickeltasche“, sagt sie und zeigt auf eine Maske. Mit Stoffen hat Spies beruflich zu tun, neben ihrer Arbeit im Kindergarten jobbt sie im Zuschnitt bei einem Stoff-Onlineshop. Die erste Mund-Nasen-Maske hat sie für ihre Tochter genäht. Da diese bei der Krankengymnastik eine tragen muss, hatten auch die Eltern bald eine. „Wir wollten für sie ein Vorbild sein – und das hat funktioniert“, sagt Spies.
Doch bereits als die Corona-Krise in Deutschland noch fast nicht spürbar ist, bekommt Spies von einer Freundin aus dem Ausland eine Anfrage. „Sag mal Barbara, würdest du Masken nähen, wenn ihr auch welche braucht?“, fragt die Bekannte. Und als die Einschläge näher kommen, beginnt die 39-Jährige für weitere Familie zu nähen. Als Vorlage dient ein Video, das ihr im Internet vorgeschlagen wird. „Einfache Maske nähen oder so hieß es“, berichtet Spies. Als die Mannheimerin in ihrem WhatsApp-Status schreibt, dass sie Masken näht, da geht es ab. Freunde und Bekannte melden sich. „Das waren schon ein paar, die da geschrieben haben“, sagt Spies grinsend. Sohn Marvin steht daneben und wiederholt ironisch grinsend mit Augenrollen „ein paar“. Er blickt auf den Maskenberg vor sich auf dem Tisch. Und als jetzt im Radio die Maskenpflicht verkündet wurde, sagt Spies, „da hätten Sie mal mein Handy sehen sollen.“
Was am meisten nachgefragt wird aus ihrer bunten Stoffauswahl? „Der mit den Mini-Flip-Flops Flops und den Mini-Krawatten drauf – fragen Sie mich nicht warum“, sagt Spies lachend. Aber auch simple blaue Punkte und ein unauffälliges Blumenmuster stehen hoch im Kurs. Jemand Bayernaffines hätte ein blau-weißes Karo gewählt. „Edelweiß hab ich auch da“, scherzt Spies.
Bei den Varianten für ihre Umgebung hat sie sich immer überlegt: Was könnte den Leuten gefallen? Und als ihr nun tatsächlich der Stoff ausging, hat sie sich beim Nachschub daran gehalten, was bisher am besten wegging. Spies verwendet Baumwollstoff, manchmal auch Canvas. Als Halterung nutzt sie Gummi, das hätte sich bewährt. Auf Experimente mit Kordel etc. lässt sie sich nicht ein. Ob die Menschen sie nach der Wirkung der Maske gefragt hätten - also was diese kann und was nicht? „Nein“, sagt Spies. „Ich hab‘ den Eindruck die Leute sind informiert.“ Sie schaut auf ihr Handy. „Oh ja!“, ruft sie. Eine Stoffhändlerin hat getextet. „Krawattenstoff ist noch verfügbar“, sagt sie mit einem Grinsen. Es kann also weitergenäht werden.
Bunt, neonfarben, kariert, Vlies oder doch FFP-Variante in kreativ? Zeigen Sie uns Ihre schönste selbstgemachte Mund-Nasen-Maske - und laden Sie sie direkt hoch in die Bildergalerie unter www.bit.ly/2VCtqrV (bis 6. Mai, 24:00 Uhr). Unter allen hochgeladenen Masken trifft die Redaktion eine Vorauswahl. Unter der können die Leser dann abstimmen, welche die schönste ist.
Nicht alle Masken haben dieselbe Wirkung: Eine selbstgemachte Mund-Nasen-Maske aus Baumwolle zum Beispiel schützt das Umfeld, den Träger im besten Fall jedoch nur etwas. Bei einer Maske mit FFP2/FFP3-Filterkennzeichnung werden Träger und Umfeld geschützt. Jedoch benötigt Klinikpersonal diese Maske.
Die Anleitung für die Herstellung der barrierefreien Mundbild-Maske haben Jojo Giese und Bärbel Steegmüller ins Netz gestellt. Auf der Facebook-Seite www.bit.ly/3eTlcDF sind auch Verlinkungen zu Videos abrufbar. see
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