Mannheim. "In der Art und Weise vorbildlich" - dieses Kompliment machte Erster Bürgermeister Christian Specht den Reiss-Engelhorn-Museen zur Eröffnung der Mumien-Ausstellung. "Im Unterschied zu reißerischen, voyeuristisch angelegten Ausstellungen anderer Museen achten Sie die Würde und nehmen die Forschung in den Focus", gratulierte der Erste Bürgermeister den Ausstellungsmachern um Wilfried Rosendahl und Stehanie Zesch zu ihrer neuen Präsentation. Zugleich freute er sich, dass Mannheim mit dem German Mummy Project der Reiss-Engelhorn-Museen "Spitzenforschung auf höchsten Niveau" bietet, sagte er bei der von Schülern des Ludwig-Frank-Gymnasiums musikalisch umrahmten Eröffnungsfeier.
"Wir sind bewusst behutsam, zurückhaltend, regen zur Diskussion an", entgegnete Rosendahl. "Froh und stolz" über die Forschungsarbeit der Mannheimer Mannschaft äußerte sich Generaldirektor Alfried Wieczorek von den Reiss-Engelhorn-Museen und bescheinigte ihnen, dass sie "in Europa eine ganz, ganz große Nummer sind". Thomas Seiler, Leiter der Region Mitte des Siemens-Medizintechnikbereichs, schloss sich dem an und bekräftigte, wie gerne er die Museumsleute und die Radiologen der Unversitätsmedizin dabei unterstützt. So hat Siemens für die Ausstellung einen Computertomographen zur Verfügung gestellt. "Man kann durch den Körper zoomen und schauen, als wenn man durchfliegen würde", erläuterte Seiler die Möglichkeiten moderner Medizintechnik.
Für das Publikum ist die Sonderausstellung „MUMIEN – Geheimnisse des Lebens“ ab Sonntag geöffnet. Die Besucher erwartet eine Begegnung mit faszinierenden Mumienfunden aus aller Welt – von den Dinosauriern über alte Hochkulturen bis in die Gegenwart. Ein besonderer Fokus der Präsentation liegt auf dem Thema Mumienforschung.
Die Präsentation vereint über 100 Exponate, darunter mehr als 50 Mensch- und Tiermumien. Neben Mumien aus den Beständen der Reiss-Engelhorn-Museen werden Leihgaben renommierter europäischer Museen, zum Beispiel aus Basel, Budapest und Luxembourg gezeigt. Die Besucher begeben sich auf eine Reise durch verschiedene Natur- und Kulturräume. Eine große Karte mit Fundorten demonstriert eindrucksvoll, dass Mumifizierung ein weltweites Phänomen ist. Vom alten Ägypten über Asien, Ozeanien und Südamerika bis nach Europa – die Besucher lernen unterschiedliche Mumifizierungspraktiken und die diesen zugrunde liegenden, meist religiös motivierten Geisteshaltungen kennen. Die Körpererhaltung über den Tod hinaus ist auch heute noch Wunsch einiger Menschen sowie ein wichtiger Aspekt in der medizinischen Forschung und Ausbildung. Mumien und Mumifizierungen sind aber nicht nur der Versuch, einen Verstorbenen für die Ewigkeit zu bewahren. Sie seien, so die Museumsleute, oft auch das Resultat natürlicher Prozesse: Im trockenen, heißen Wüstensand, im ewigen Eis, in Mooren, auf trockenen Dachböden oder in Kellern können Körper sich in Mumien verwandeln. Mumien brechen aus dem natürlichen Stoffkreislauf aus. "Sie sind außergewöhnliche Archive des Lebens und öffnen ein einzigartiges Fenster in die Vergangenheit", so Rosendahl.
Elf Jahre nach der ersten großen Mumien-Schau in Mannheim präsentiere man nun "etwas ganz anderes", betonte er, nämlich zahlreiche neue Forschungsergebnisse. Dazu kommen inszenierte Laborbereiche, CT-Animationen und eine Virtual-Reality-Station. Sie bieten interessante Einblicke in die Methodenwelt moderner Mumienforschung.
Das Team der Reiss-Engelhorn-Museen arbeitet dabei weltweit mit Experten unterschiedlicher Fachrichtungen zusammen. "Das Mannheimer Knowhow ist gefragt, darauf bin ich besonders stolz", dankte Specht den Museumsleuten. Alle Untersuchungen werden so schonend wie möglich durchgeführt, versichern sie. Dank der Datengewinnung mit neuesten Computertomographen und Laboranalysen gewinnen die Wissenschaftler ein immer differenziertes Bild einzelner Mumienfunde. So konnten in den vergangenen Jahren viele spannende Rätsel gelöst oder neu aufgeworfen werden. Auf der Suche nach Geschlecht, Alter, Größe, Herkunft, Krankheiten, Ernährungsweise und Todesursache erleben die Forscher immer wieder Überraschungen. Die Besucher erfahren beispielsweise, wie die Wissenschaftler einem Mord im alten Ägypten auf die Spur gekommen sind, was sich in einem prunkvollen Inka-Mumienbündel verbirgt und welche rätselhaften Gegenstände die Mumie einer Frau aus Peru in ihren geschlossenen Händen hält.
Inszenierte Laborbereiche gewähren in der Ausstellungen einen besonderen Einblick in verschiedene Methoden der Mumienforschung – von Radiokarbondatierung über Isotopenanalyse und Toxikologie bis hin zu Molekulargenetik und 3D-Druck. Die Besucher tauchen in CT-Animationen ins Innere der Mumien ein, blättern an einem interaktiven Touchscreen durch Ötzis Krankenakte und schauen dank einer Gesichtsrekonstruktion einer Frau, die vor mehr als 500 Jahren in Südamerika gelebt hat, ins Antlitz. An ausgewählten Terminen besteht zudem die Möglichkeit, an einer Virtual-Reality-Station Mumienforschung hautnah zu erleben.
Anstoß für das German Mummy Project war ein sensationeller Fund im Jahr 2004. Im Vorfeld der Zughaus-Sanierung wurden in den Depots der Reiss-Engelhorn-Museen neunzehn verschollen geglaubte Mumien wiederentdeckt. "Es war ein Überraschungsfund, daraus wurde ein Welterfolg", sagte Erster Bürgermeister Specht dazu. Die Mannheimer Mumien sowie erste Ergebnisse ihrer Erforschung wurden 2007 im Rahmen einer großen Sonderausstellung erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Seit 2008 war die Ausstellung auf Tour. Nach einer Reise über zwei Kontinente, durch sieben Länder und mit drei Millionen Besuchern kommen die Mumien jetzt zurück nach Mannheim.
Die Sonderausstellung ist bis 31. März 2019 im Museum Zeughaus der Reiss-Engelhorn-Museen dienstags bis sonntags 11 bis 18 Uhr zu sehen.
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