Bereits vor 250 Jahren warnte der deutsche Dichter Gotthold Ephraim Lessing vor den negativen Folgen einer zu hohen Erwartungshaltung: „Beide schaden sich selbst: der, der zu viel verspricht und der, der zu viel erwartet.“ In der Euphorie um die phänomenale 21-Punkte-Vorsprung-Meisterschaft in der Regionalliga sind auch beim SV Waldhof ein wenig die Relationen verrutscht. Teils selbstverschuldet. Präsident Bernd Beetz träumte von einem einstelligen Tabellenplatz in der 3. Liga, Sportchef Jochen Kientz versprach Neuverpflichtungen aus dem „oberen Regal“. Solche Aussagen beflügeln zwangsläufig die Fantasie der Fans, gerade wenn sie wie im Fall des Waldhof 16 Jahre lang viel gelitten haben.
Ein paar geplatzte Transfers und Testspielniederlagen später sind die Mannheimer wieder in der Realität gelandet. Wenn der Aufsteiger am Ende der Saison vier andere Teams hinter sich gelassen und damit den Klassenerhalt geschafft haben sollte, ist die Premierensaison in der 3. Liga als voller Erfolg zu verbuchen. Denn der Wettbewerb in der untersten deutschen Profiklasse ist unerbittlich: vier Absteiger, eine hohe Leistungsdichte, etliche Clubs mit größeren finanziellen Möglichkeiten – der SVW wird sich gewaltig strecken müssen, um in der Liga zu bleiben.
Es wäre sicher zielführender gewesen, den zuletzt siegesverwöhnten Anhang schonend auf diese Wirklichkeit vorzubereiten. Denn es werden Durststrecken kommen, jeder Punkt muss härter denn je erkämpft werden, anstelle den aus der Regionalliga bekannten Offensivspektakeln muss auch ein zähes 1:0 genügen.
Das bedeutet im Umkehrschluss allerdings keineswegs, dass die Mannheimer das Abenteuer 3. Liga mit übergroßem Respekt oder gar Angst angehen müssen. Der SVW verfügt über eine eingespielte, konkurrenzfähige Mannschaft mit etlichen Spielern, die schon höherklassige Erfahrungen mitbringen. Trainer Bernhard Trares hat bewiesen, dass er taktisch und in Sachen Menschenführung auf der Höhe ist. Wenn nun auch noch die verbliebenen Schwachstellen in der Breite des Kaders beseitigt werden, ist der Klassenerhalt absolut machbar. Mehr zu erwarten, wäre zu viel versprochen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/meinung/kommentare_artikel,-kommentar-zurueck-in-der-realitaet-_arid,1487012.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/vereine_verein,_vereinid,12.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/waldhof-gartenstadt-luzenberg.html
[3] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/vereine_verein,_vereinid,12.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Zurück in der Realität
Alexander Müller zum Saisonstart des SV Waldhof