Der seit mehr als drei Wochen geltende Teil-Lockdown wirkt nur teilweise. Der exponentielle Anstieg der Infektionszahlen ist gebremst, aber auf sehr hohem Niveau. Die zeitlich nachhinkende Zahl der Toten zeigt, wie gefährlich es geworden wäre, wenn man die Entwicklung einfach hätte laufen lassen. Über 400 Opfer allein am Mittwoch, das ist eine Katastrophe. Wie ignorant und verbohrt muss man sein, um da immer noch zu sagen, Corona existiere nicht? Die Leugner sollten ihre nächsten Demonstrationen auf den Friedhöfen abhalten.
Viel mehr als Kontaktbeschränkungen, Kneipenschließungen und Reiseverbote geht nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn man an den großen Prämissen festhält: Bewegungsfreiheit, Schulunterricht, offene Geschäfte. Und das ist noch Konsens zwischen Bund und Ländern. Hinter dem fortgesetzten Teil-Lockdown kommt nur noch die totale Ausgangssperre, und insofern kann man im Vergleich zu anderen Ländern noch froh sein in Deutschland.
Weil schon fast alle Möglichkeiten abgegrast sind, blieben jetzt nur noch kleine Verschärfungen übrig. Die versprochene Weihnachtslockerung ist marginal. Zum Teil hat man in der Verzweiflung auch regelrechte Symbolbeschlüsse gefasst, wie die Maskenpflicht auf Supermarktparkplätzen, die nicht schaden, aber auch nicht nutzen wird. Auch die Idee, die Fläche pro Käufer bei großen Läden auf 20 Quadratmeter zu erhöhen, zeigt, wie krampfhaft es wird, wenn man etwas machen muss, aber eigentlich nichtsmehr machen kann. Anderen Quatsch wie Masken für Grundschüler oder Böllerverbote hat man gelassen.
Aber kein Grund zum Spott auf die Politik: All die Maßnahmen, die wirksamen wie die weniger wirksamen, müssen überhaupt nur erwogen werden, weil zu viele Bürger sich nicht von sich aus verantwortlich verhalten. Die unabsichtlich Unvorsichtigen und die absichtlich Leichtsinnigen sind die Treiber der Pandemie.
Positiv ist, dass die Länder jetzt endlich gemeinsam Verantwortung übernommen haben und mehr als bisher mit einer Stimme sprechen. Das wird dazu beitragen, dass die Menschen das Unvermeidliche leichter akzeptieren. Negativ ist die mangelnde Perspektive der Beschlüsse. Dass die Infektionszahlen nicht drastisch sinken werden, dass also die Kliniken weiter an ihre Belastungsgrenzen stoßen und viele Menschen sterben werden, ist absehbar. Was dann?
Bisher kann niemand sagen, wie es im Januar und Februar weitergeht. Noch eine Verlängerung des Teil-Lockdowns und noch eine? Das würde die Gesellschaft wahrscheinlich kaum aushalten.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Zu den Corona-Beschlüssen: Perspektive fehlt
Werner Kolhoff zu den Corona-Beschlüssen in Berlin: Niemand weiß, wie es im Januar oder Februar weitergeht