Permanente Überlastung, dreijähriger Lohnverzicht, dazu noch die derzeit besonders hohe Inflation – so begründet die Gewerkschaft Verdi den Warnstreik des Bodenpersonals der Lufthansa an diesem Mittwoch. So weit verständlich.
Doch eine derart heftige Eskalation des Tarifkonflikts bei der größten deutschen Fluggesellschaft ist zum aktuellen Zeitpunkt völlig unangemessen. Gestreikt wird eigentlich dann, wenn Tarifverhandlungen festgefahren sind. Nach erst zwei Gesprächsrunden und einem brauchbaren Angebot der Lufthansa kann davon keine Rede sein.
Verdi schielt auf einen Tarifabschluss, der mit 9,5 Prozent mehr Lohn oberhalb der Inflationsrate liegt. Das wäre eine hohe Messlatte für noch ausstehende Tarifverhandlungen in anderen Branchen. Daher lässt die Gewerkschaft mitten in den ersten unbeschwerten Sommerferien des Corona-Zeitalters bei der Lufthansa öffentlichkeitswirksam die Muskeln spielen. Bei der Airline ist der Organisationsgrad hoch. Und ein Streik im Flugverkehr genießt immer maximale Aufmerksamkeit.
Die Folgen sind heftig und unverhältnismäßig: Mitten in der Hauptreisezeit fallen wohl mehr als 1000 Flüge mit 134 000 Passagieren aus. Einen Tag lang bleiben die meisten Kranich-Flieger am Boden. Ob die Reisenden an den nächsten Tagen ihr Ziel erreichen, ist völlig unklar. Die lang ersehnten Urlaubstage ersetzt ihnen niemand.
Der Frust unter den Lufthansa-Beschäftigen mag angesichts chaotischer Zustände in der Luftfahrt tief sitzen. Zwei Jahre nach der Beinahe-Pleite des Konzerns läuft es einfach so gar nicht rund. Aber Tausenden Menschen den Urlaub mit einem Gewerkschaftsspektakel zu vermiesen – das geht gar nicht.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Verdis Muskelspiele
Alexander Klay hält die Eskalation im Tarfistreit beim Bodenpersonal der Lufthansa zum jetzigen Zeitpunkt für völlig überzogen