Stigma oder Fakten?

Diana Zinkler warnt bei der Verbreitung der Affenpocken davor, sich jetzt schon in Sicherheit zu wiegen

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Diana Zinkler
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Ich erzähle mal, wie mein Nachbar triumphierte: „Also, die Affenpocken, die kriege ich nicht, ich habe ja andere sexuelle Vorlieben.“ Dabei gluckste er ein „Hö, hö“ heraus. Endlich durfte er sich mal wieder über Schwule lustig machen!

Man will ja niemandem etwas Böses wünschen. Aber ich dachte nur: Sei dir da mal nicht so sicher. Denn wir wissen noch ziemlich wenig über die Affenpocken.

Bis zum Dienstag haben sich in Deutschland fünf Menschen infiziert, Männer, die nach derzeitigem Stand ausschließlich Sex mit Männern gehabt haben. Das ist eine ziemlich kleine Zahl, um schon zu jubilieren und sich selbst als ungefährdet einzustufen. Denn die Wissenschaft warnt, schon Körperberührung und Küsse reichten aus, um die Affenpocken zu übertragen. So seien auch Kinder gefährdet sowie Menschen jüngerer Jahrgänge, die nicht gegen Pocken geimpft wurden.

Doch fünf Fälle unter Schwulen reichen offenbar auch aus, um sie zu stigmatisieren, sexuelle Vorlieben oder Verhalten zu diskreditieren. Schwulenverbände, die Vereinten Nationen und die Deutsche Aidshilfe warnten bereits zu Recht vor Stigmatisierung.

Wahr ist aber auf der anderen Seite auch, dass bisher alle Fälle unter Schwulen in Deutschland aufgetreten sind. Um eine Verbreitung zu verhindern, muss man sie warnen und somit auch schützen. Das ist das eine.

Das andere ist feixen, auf sie herabzuschauen oder im nächsten Schritt sie gar auszuschließen.

Zurück zu meinem Nachbarn. Er hat insofern recht, als er die Affenpocken kaum bekommen kann, denn er hat gar niemanden, mit dem er in Berührung kommt. Selbst wenn er vorgibt, andere sexuelle Vorlieben zu haben, ist das doch wohl die unberührte Einsamkeit, die aus ihm spricht.

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