Frauen sind miteinander verbunden durch einen unsichtbaren Faden. Es spielt keine Rolle, aus welchem Land wir kommen. Welcher Gesellschaftsschicht wir angehören. Welche Partei wir wählen. An wen oder was wir glauben. Frauen sind miteinander verbunden durch Gewalt. Die hunderten Berichte über Frauen, die durch Ex-Partner, Familienmitglieder oder Fremde geschlagen, vergewaltigt, ermordet werden, erschüttern uns bis ins tiefste Mark. Sie lassen uns verzweifeln, wir leiden mit und wissen: Wenn eine von uns nicht sicher ist, ist es keine von uns. Keiner denkt sich „so etwas passiert mir nicht“, sondern „ich könnte die nächste sein.“
Es scheint, als würde in den vergangenen Jahren ein Krieg gegen Frauen geführt. Sie werden nicht „nur“ getötet – sondern regelrecht abgeschlachtet. Erst vor zwei Wochen wurde in einem Waldgebiet der türkischen Stadt Mugla die Leiche einer 27-jährigen Studentin entdeckt.
Der Ex-Freund hatte sie nach eigenen Angaben in einem „Eifersuchtswahn“ erwürgt, den Körper in ein Kanister gelegt, vergeblich versucht, die junge Frau zu verbrennen, und sie letztendlich mit Beton übergossen. Viele erinnern sich auch an das Verbrechen auf der Rheinau, wo eine 22-Jährige ebenfalls von ihrem Ex-Freund mit mehr als 20 Messerstichen getötet wurde. Woher kommt diese schiere Zerstörungswut? Viel wichtiger: Was tun, damit Gewalt endlich aufhört? Natürlich gibt es auch Frauen, die zu Täterinnen werden. Oder Männer als Opfer. Aber wenn es eine Lösung für dieses eine Problem gibt, gibt es eine für alle.
Die unbürokratischste Lösung: sich gegenseitig unterstützen. So simpel es auch klingt, sie könnte die effektivste sein. Eine Frau, die sich – egal wie weit fortgeschritten diese Beziehung auch sein mag – nicht sicher fühlt, sollte ihr Schweigen brechen und sich jemandem anvertrauen. Ist dieser schwierige Schritt getan, können Freund, Freundin, Familie helfen, sich rechtzeitig dieser Beziehung zu entreißen, nach Hilfe zu suchen, sogar „abzutauchen“. Denn eins ist sicher: In den meisten Fällen sind es die Partner und Ex-Partner, die Frauen Gewalt zufügen. Sich sichtbar machen heißt auch ein stückweit sich in Sicherheit zu begeben.
Das Thema muss stärker in den Fokus der Gesellschaft rücken. Aufklärungskampagnen dürfen nicht nur am Weltfrauentag, sondern über das Jahr hinweg, in kleinen und großen Städten aber auch in sozialen Medien stattfinden. Auch Jugendliche sollten in der Schule über Gewalt gegen Frauen und Frauenhass aufgeklärt werden. Diese und weitere Schritte könnten helfen, Gewalt gegen ein Geschlecht gänzlich zu stoppen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar - Miray Caliskan über die alltägliche Gewalt gegen Frauen: Es ist endlich an der Zeit, das Schweigen zu brechen Sichtbar sein