Karl Lauterbach findet es problematisch, „wenn wir uns Erwachsene durch eine Impfung schützen und die Kinder der Krankheit überlassen“. Man muss nicht mit allen täglichen und nächtlichen Einlassungen des SPD-Gesundheitsexperten zur Corona-Pandemie einverstanden sein. Aber manchmal hat er einfach recht. Diejenigen, die seit Monaten auf vieles verzichten, auf Kita und Schule, Freunde, Sport, ausgeglichene Eltern, werden (wieder) in die Warteschleife gesetzt. Warten auf die Ständige Impfkommission, bis diese entscheidet, was andere Länder längst entschieden haben, nämlich dass auch unter 16-Jährige geimpft werden können. Warten auf genügend Impfstoff, was angesichts des Desasters bei Curevac länger dauern könnte als noch vor ein paar Wochen gehofft.
Derweil rückt die gefährliche Delta-Variante näher, was heißt näher, sie ist längst da. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Infektionszahlen auch hierzulande wieder steigen. So wie aktuell in Großbritannien. Besonders beunruhigend ist, dass diese neue Virusform vor allem Kinder stark zu treffen scheint. Vielleicht retten wir den Sommer, aber was ist dann? Wer rettet die Kinder? Vor Ängsten und Sorgen? Vor Überforderung und Vereinsamung, vor dem berechtigten Gefühl, das Leben zu verpassen? Stellt überhaupt jemand diese Fragen?
Bittere Erfahrung
Die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, war ein zentrales Anliegen der Bundesregierung. Das ist bezeichnenderweise dieser Tage gescheitert. Grund ist ein Adjektiv: angemessen. „Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen“ – dieser Satz sollte unter anderem ins Grundgesetz eingefügt werden, ein Kompromiss, auf den sich die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD nach langen Debatten verständigt hatte. Wenn es aber wirklich um ein Mehr an Rechten gegangen wäre, hätte dort „vorrangig“ stehen müssen. Mit dieser Formulierung hätten sich die Gewichte deutlich in Richtung der Kinder verschoben, aber offensichtlich wollte man das nicht. Und den Kompromiss wollten viele nicht, unter anderem die Grünen, so dass keine für Grundgesetzänderungen notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag zustande gekommen wäre. Die Kinder müssen also auch in dieser Frage weiter warten.
So bleibt für sie vor allem eine bittere Erfahrung aus der Corona-Pandemie: Ihre Interessen, Vorstellungen, Meinungen werden vielleicht gehört, aber (oft) nicht berücksichtigt.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Schüler während Corona: Gebt Kindern und Jugendlichen ihre Rechte
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