Kommentar Mietern das warme Wasser abzudrehen, ist unzumutbar

Beate Kranz sieht im zeitweisen Abdrehen von Warmwasser bei Mietern eine eklatante persönliche Einschränkung

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Beate Kranz
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Obwohl in Deutschland derzeit kein akuter Mangel in der Gasversorgung besteht, bekommen Mieter erstmals Konsequenzen zu spüren. Angesichts der stark gestiegenen Energiepreise hat eine Wohnungsgenossenschaft bei zahlreichen Bewohnern im kleinen Städtchen Dippoldiswalde in Sachsen die Warmwasserversorgung eingeschränkt. Die Heizung wird bis September komplett abgestellt. Diese Maßnahmen sind zwar nicht existenzgefährdend für die Betroffenen, aber definitiv eine unzumutbare Einschränkung der persönlichen Freiheit, die derzeit unangebracht und übergriffig ist.

Warmwasser gibt es nur noch zwischen 4 und 8 Uhr, 11 und 13 Uhr sowie 17 und 21 Uhr. Dazwischen fließt eiskaltes Nass aus den Hähnen. Was macht der Schichtarbeiter, der spät von der Arbeit kommt und sich vorm Schlafen duschen möchte? Was macht die Mutter, die ihrem Säugling nachts nach dem Windelwechseln noch mal den Popo waschen möchte? Reinigung mit eiskaltem Wasser? Nur weil der Vermieter das so verfügt?

Die Beschlüsse sind ein eklatanter Eingriff in die Privatsphäre, den sich niemand ohne Not gefallen lassen sollte. Die 24-stündige Versorgung mit Warmwasser gehört zum rechtlich gesicherten Wohnstandard. Fließt das Wasser nicht rund um die Uhr warm, ist dies ein Mangel, der einen Grund zur Mietminderung darstellt.

Die Genossenschaft begründet die Einschränkungen mit ihrem Wunsch, „dass Mieter gut durch diese Krise kommen“. Die Absicht mag vielleicht gut gemeint sein, ist aber der falsche Weg. Mit ihr sind keinerlei Anreize für Einsparungen verbunden, die zu niedrigeren Rechnungen führen könnten - kann man doch auch zwischen 4 und 8 Uhr eine halbe Stunde statt wenige Minuten unter der Dusche verbringen. Vielmehr ist die Maßnahme eine überholte Form autoritärer Erziehung und gleicht einer Entmündigung erwachsener Menschen.

Auch wenn manche diese „Erziehungsmaßnahmen“ nicht so schlecht finden, sollte man in einer Demokratie auf die Selbstbestimmung der Menschen setzen. Dazu gehört auch die Freiheit, seinen Tagesablauf nach den eigenen Bedürfnissen zu strukturieren und nicht nach dem vorgegebenen Zeitkorsett einer Wohnungsgenossenschaft.

Fakt bleibt: Wohl jedem Mieter, Wohnungs- oder Hausbesitzer drohen dieses Jahr Nachzahlungen bei den Energienebenkosten - teils könnte der doppelte Betrag oder sogar mehr fällig werden. Um Mieter vor einem zu großen Schock angesichts der nächsten Nachzahlung zu bewahren, sollten deshalb besser die Abschlagszahlungen schon jetzt zeitnah angepasst werden, damit sich jeder auf die höhere Summe einstellen kann. Das ist auch für Sozialwohnungen notwendig, wo Menschen mit eher niedrigen Einkommen leben, die Hunderte Euro Mehrkosten nicht aus der Portokasse bezahlen können.

Die Energiepreisexplosion infolge des Ukraine-Kriegs ist für alle eine Zumutung, aber vor allem für Geringverdiener eine riesige, vielleicht sogar ruinöse Belastung. Sie sollten deshalb durch den Staat gezielt finanziell unterstützt werden. Es darf nicht sein, dass die Ärmeren im nächsten Winter frieren müssen, weil sie sich die Heizung nicht leisten können.

Sollte das Gas tatsächlich knapp und die Versorgung staatlich verordnet verringert werden sowie Verbraucher in kühleren Räumen leben müssen und weniger warmes Wasser verwenden dürfen, so sollten diese Maßnahmen ausnahmslos für alle gelten. Das gebietet die Solidarität. Doch ab wann eine Not ausgerufen wird, die außergewöhnliche Maßnahmen erfordert, sollte nicht eine Genossenschaft bestimmen, sondern die demokratisch legitimierte Bundesregierung.

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