Mehr Geld

Barbara Klauß pocht auf ein transparentes Bewertungssystem für Heime und ambulante Dienste sowie auf bessere Arbeitsbedingungen

Veröffentlicht
Kommentar von
Barbara Klauß
Lesedauer

Dieser Bericht ist eine Katastrophe: Zehntausende Pflegebedürftige wurden in Heimen oder von Mitarbeitern ambulanter Pflegedienste nicht gut genug betreut. Das geht aus dem Qualitätsbericht der Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDK) für 2016 hervor. Dass Vertreter des Kassen-Spitzenverbandes von „Fehlentwicklungen“ oder einem negativen „Zerrbild“ sprechen, ist Hohn. Jeder Mensch, dessen Wunden nicht ordentlich versorgt werden, oder der die falsche Medizin bekommt, ist einer zu viel.

Gerade in der Pflege müssen sich Betroffene und Angehörige zu 100 Prozent darauf verlassen können, dass Standards eingehalten werden. Zum einen, weil Fehler bedrohliche Folgen haben können – wenn etwa bei der künstlichen Beatmung etwas schief geht. Zum anderen, weil die Menschen häufig wehrlos, ausgeliefert und daher besonders schutzbedürftig sind. Mehr als 70 Prozent der Heimbewohner leiden unter Demenz.

Umso wichtiger ist es, dass sich Pflegebedürftige und ihre Familien ein genaues Bild davon machen können, wie gut Pflegeheime und ambulante Dienste tatsächlich sind. Zu diesem Zweck – und um Mängel in der Pflege zu beseitigen – führte die große Koalition im Jahr 2008 einen Pflege-Tüv ein. Schulnoten sollten die Qualität der Einrichtungen anzeigen. Das Problem: Der MDK vergab fast nur Bestnoten.

2015 wurde das Bewertungssystem ausgesetzt. Bitter genug. Dass es der MDK aber nicht schafft, ein transparentes auf den Weg zu bringen, ist ein absolutes Armutszeugnis. Nicht nur deshalb drängt sich die Frage auf, weshalb Gesundheitsminister Hermann Gröhe es wieder den Pflegeanbietern und -kassen überlässt, ein neues System zu entwickeln.

Der wichtigste Punkt aber ist, dass es derartige Missstände schlicht nicht länger geben darf. Vieles liegt deshalb im Argen, weil die Zahl der Pflegebedürftigen in die Höhe schnellt und die Menschen, die sie pflegen, massiv überlastet sind. Das immerhin haben Union und SPD erkannt und bei ihren Koalitionsverhandlungen vereinbart, 8000 zusätzliche Stellen zu schaffen. Bei rund 13 000 Einrichtungen in Deutschland wäre das allerdings nicht einmal eine pro Heim – und damit nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Für eine tatsächliche Entlastung der angespannten Situation würden bis zu 50 000 zusätzliche Pfleger benötigt.

Um überhaupt neue Kräfte zu bekommen, muss sich ohnehin noch einiges ändern. Ein Flächentarifvertrag, den Union und SPD laut Koalitionsverhandlungen erleichtern wollen, ist längst überfällig. Doch müsste er auch mit einer deutlichen Lohnerhöhung einhergehen. 2600 Euro verdienen Altenpfleger im Durchschnitt – in einem Job, der körperlich wie psychisch belastend ist, bei dem nachts und an Wochenenden gearbeitet wird, an mindestens 39 Stunden in der Woche.

Es geht schlicht um die Frage, wofür eine Gesellschaft bereit ist, Geld auszugeben. An guter Pflege jedenfalls darf sie nicht sparen.

Redaktion