Mannheim war in Sachen Radverkehrspolitik schon einmal weiter – als die Stadt ihren Auftritt im Karl-Drais-Jubiläum 2017 vorbereitete, setzte man sich große Ziele, wollte den Anteil des Radverkehrs auf den Straßen deutlich erhöhen. Man wollte das Wegenetz ausbauen und erhob den Anspruch, insgesamt das Radfahren attraktiver zu machen, es unter der Marke „Monnem Bike“ als Lifestyle-Produkt für eine junge, urbane, moderne Zielgruppe zu vermarkten.
Das ist jetzt knapp vier Jahre her. Im Fahrradklimatest des ADFC erzielt die Stadt nun mit Ach und Krach das gleiche Ergebnis wie im Jahr eins nach dem großen Fahrrad-Event 2017. Das mag enttäuschend sein, überraschend kommt das Ergebnis nicht. Um Bau- und Ausbau von Radwegen wird teilweise kleinlich gestritten – nicht nur in der Feudenheimer Au, sondern beispielsweise auch in der Augustaanlage. Gefährliche Radwege-Führungen an Baustellen werden oftmals, obwohl lägst erkannt und dutzendfach benannt, einfach so lange ausgesessen, bis der Bau beendet und der Radweg wieder freigegeben werden kann – Beispiel Reichskanzler-Müller-Straße. Zugeparkte Rad- und Gehwege werden toleriert, zum Teil mit abenteuerlichen Begründungen wie in der Feudenheimer Straße. Aber auch einfache Verbesserungen wie die Absenkung von Bordsteinkanten oder die Entfernung von Hindernissen auf und an Radwegen sind oftmals Fehlanzeige. Nicht einmal einen wenigstens für ein paar Monate nutzbaren Pop-up-Radweg hat die Stadtverwaltung im Corona-Sommer 2020 auf die Reihe bekommen – ein kaum nachvollziehbares Versäumnis.
Hinzu kommt, dass auch die Grundlagen der Mannheimer Radverkehrspolitik novellierungsbedürftig sind: Das politische „21-Punkte-Programm“ aus dem Jahr 2010 ist längst überholt, zu Teilen auch abgearbeitet – hier muss dringend eine neue Zukunftsperspektive her.
Es liegt also vieles im Argen, weswegen die Bewertung der Quadratestadt im Urteil ihrer eigenen Radler mit einem Platz im oberen Mittelfeld völlig in Ordnung geht. Es gibt aber auch einige positive Entwicklungen: Das Netz der Fahrradstraßen wächst weiter, die Planung der Schnellwege in die Region kommt – wenn auch zu langsam – voran. Man muss die Fragebogenaktion des ADFC deshalb gewiss nicht überbewerten – sie ist eben ein Gradmesser für das gefühlte Fahrradklima. Aber darauf kommt’s für den Erfolg der Verkehrspolitik an: Die Radfahrer müssen sich am Ende auf der Strecke sicher fühlen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Mobilität: Mannheim war bei Radverkehr schon weiter
Thorsten Langscheid über das Fahrradklima in der Region