Die Reaktionen der geschockten Fans - Steven Gerrard wollte sie nach seiner Abschieds-Ankündigung nicht hören. Denn die Klagelaute hätten ihn zerrissen. Sein ganzes Fußballerleben gehörte bislang einem einzigen Verein, einer einzigen Stadt: Liverpool. 27 Jahre trug er den Liver Bird, das Wappentier des Traditionsvereins, auf seiner Brust. 27 Jahre, davon 17 als Profi! Das muss man sich in Zeiten wie diesen, in denen im überhitzten Fußball-Business Spieler jährlich ihre Arbeitgeber wechseln und Verträge kaum noch etwas wert sind, einmal vorstellen. Keine Frage: Mehr Identifikation als das, was Gerrard vorgelebt hat, geht nicht. Und deswegen verlässt mit ihm ein ganz Großer die Bühne, auch wenn - oder gerade weil - ihm eine Meisterschaft mit seinem Klub versagt blieb.
Denn trotz einiger Enttäuschungen standen die Treue und die Liebe zum Klub von der Anfield Road für ihn immer an oberster Stelle. "You'll never walk alone" - der Mittelfeldmann lebte die Hymne der Liverpooler Fans wie kein anderer. Mit Hingabe, mit Leidenschaft.
Zäsur in der Klub-Geschichte
Real Madrid, FC Chelsea - Gerrard hätte woanders mehr Geld verdienen und mehr Titel gewinnen können. Doch sein Lebenstraum, Meister mit den Reds zu werden, ließ ihn, diesen heldenhaften Arbeiter, nicht los. Niemand ist größer als der Verein, wird von Managern, Trainern und Spielern immer wieder betont. Das stimmt natürlich - und doch bedeutet der heutige Tag eine Zäsur in der Historie des FC Liverpool. Es endet nicht nur die Karriere eines verdienten Spielers, sondern auch eine aufregende Ära in der von Leid und Ruhm geprägten Geschichte des Champions-League-Siegers von 2005, der zwar seinen Anführer verliert, den sportlichen Verlust aber kompensieren wird.
Längst hat Gerrard nicht mehr die Klasse früherer Tage. Ausgerechnet er war es, der in der vergangenen Saison gegen Chelsea ausrutschte und Demba Ba das 1:0 ermöglichte. Liverpool verlor die Tabellenführung, wieder jubelten die anderen und die Krönung seiner Karriere blieb ihm erneut versagt. Zu wenig erreicht hat er trotzdem nicht. Im Gegenteil. Der 34-Jährige geht als lebende Legende. Das schaffen nicht mehr viele.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Lebende Legende