Dirk Lübke zum politischen Nachlass Kohls Lass' nach, bitte!

Dirk Lübke über den politischen Nachlass von Helmut Kohl und den möglichen und notwendigen Umgang damit

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Dirk Lübke
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Helmut Kohl hat am Samstag seine letzte Ruhe gefunden - auf dem Friedhof im Adenauerpark in Speyer.

Erfreulich ist, dass auf dem letzten Weg zwischen Ludwigshafen, Straßburg und Speyer das Zerwürfnis innerhalb der Familien Kohl und Kohl-Richter keine Bühne bekam.

Todtraurig macht, dass sich die zwei Söhne Helmuts Kohls - nach allem, was bekannt ist - nicht von ihrem verstorbenen Vater haben verabschieden können.

Nachdenklich stimmt, dass doch weitaus weniger "normale" Menschen an diesem Samstag auf den Straßen in Kohls Heimatstadt Ludwigshafen und in Speyer waren, um sich vom Rekordkanzler zu verabschieden. Kohl regierte Deutschland immerhin für 16 Jahre - von 1982 bis 1998.

Der große Europapolitiker Helmut Kohl hinterlässt in seinem Haus in Ludwigshafen-Oggersheim seine zweite Ehefrau, Maike Kohl-Richter. Sie hütet ein historisches Vermächtnis, das mindestens 400 Aktenordner umfassen soll. Es ist zu erwarten, dass eine öffentliche Diskussion um den Verbleib des politischen Erbes in den nächsten Monaten und vielleicht Jahren immer wieder die Öffentlichkeit erreichen wird, möglicherweise auch an- oder aufrührt.

Wie wird die 53-jährige Volkswirtin und Witwe, die seit 2008 mit Helmut Kohl verheiratet ist, damit umgehen? Wird sie - gestützt und unterstützt von Ex-"Bild"-Zeitung-Herausgeber Kai Diekmann - nur herausgeben, was den Altkanzler in ausnahmslos glänzendem Lichte dastehen lässt? Wollen diese zwei deutsche Geschichtsschreibung übernehmen? Diekmann hat schon vor Jahrzehnten als junger Journalist Kontakt zu Kohl gehabt und war Trauzeuge bei Kohls zweiter Heirat.

Unstrittig scheint, dass Dokumente im Zusammenhang mit Kohls Arbeit als Bundeskanzler herauszugeben sind. Für die Aufbewahrung ist das Bundesarchiv zuständig. Rechtlich anders verhält es sich mit Dokumenten, die dem CDU-Bundesvorsitzenden Kohl in seiner Zeit von 1973 bis 1998 zuzuordnen sind. Hier hat vor allem auch die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung wiederholt Ansprüche auf den Nachlass angemeldet.

Erschwerend kommt möglicherweise hinzu, dass eine solche Differenzierung nicht immer trennscharf vorzunehmen ist. Ein Kanzler und Regierungschef gehört immer auch einer Partei an; und wenn jemand - wie Kohl - lange Jahre Kanzler und noch längere Zeit Parteivorsitzender war, dann berühren und vermischen sich CDU-Parteipolitik und Regierungshandeln an vielen Stellen.

Alternativ ließe sich eine Überlassung des gesamten Vermächtnisses an eine Stiftung umsetzen. Ein Zugang für Forschung und Wissenschaft müsste dann genauso wie beim Bundesarchiv gewährleistet sein.

Brigitte Seebacher, die zweite Ehefrau des Vor-Vorgängers von Kohl als Bundeskanzler, Willy Brandt, hat jetzt im "Spiegel" gesagt: "Erst einmal ist ein solcher Nachlass kein Privateigentum. Zweitens ist die Sicherheit in einem Privathaus nicht gegeben." Sie bewertet die Idee, den Kohl-Nachlass in Oggersheim zu belassen, demnach als "absurd".

Der Kampf um den politischen Nachlass des Rekordbundeskanzlers Helmut Kohl kann schnell auf neue Streitfelder führen. Das würde vor allem Maike Kohl-Richter durch Zugänglichkeit verhindern - ungeachtet des Sprengstoffs, der möglicherweise in Kohls aufbewahrten Aufzeichnungen auch noch geschrieben steht.