Wir alle bekommen jetzt die Quittung für jahrzehntelange Ignoranz. Russland und China sind Diktaturen. Weder Wladimir Putin noch Xi Jinping, der chinesische Präsident, hatten je vor, ihre Länder zu demokratisieren. Sie wollen Macht, und sie wollen Kontrolle. Menschenrechte, Pressefreiheit, eine unabhängige Gerichtsbarkeit interessieren sie nicht. Das haben wir, der Westen, nur immer gehofft, dass sie das (eines Tages) wollen würden.
Wandel durch Handel heißt die Denkfigur, die im Westen den Umgang mit den beiden Despoten bestimmt hat, die Hoffnung, dass einer wirtschaftlichen Öffnung automatisch eine politische und gesellschaftliche folgen würde. Stattdessen hat vor allem China seinen geopolitischen Einfluss ausgebaut.
Dabei bedient es sich einer geschickten Marketingstrategie, indem es seine Außenposten, die bis nach Afrika reichen, als Teil der neuen Seidenstraße deklariert, ein Name, der nach 1001 Nacht klingt. Tatsächlich geht es um die Schaffung einer globalen Infrastruktur, um den Zugang zu wichtigen (Rohstoff-)Märkten.
Experten warnen, dass die Geschicke einzelner afrikanischer Länder eines Tages von Peking aus bestimmt werden könnten, wenn diese nicht mehr in der Lage sind, die Schulden zurückzuzahlen, die sie bei den Chinesen für den Bau von Straßen, Häfen, Eisenbahnlinien gemacht haben.
Wir haben all das geschehen lassen. Wir haben auch zugelassen, dass die Chinesen in den vergangenen Jahren in Deutschland hunderte Firmen aufgekauft haben. „Made in China 2025“ lautet der Plan, China will in Schlüsseltechnologien eine führende Rolle übernehmen. Da ist es schneller, das Know-how zu kaufen anstatt es im eigenen Land aufzubauen (was die Chinesen auch gar nicht so einfach könnten).
Wir haben zugesehen, wie China in Hongkong mehr und mehr die Kontrolle übernommen hat. Peking musste dafür noch nicht mal einen Krieg anzetteln, es hat sich schlicht über das Versprechen von 1997 hinweggesetzt, das der einstigen britischen Kronkolonie 50 Jahre Autonomie zusicherte. Die Metropole am Perlflussdelta ist seitdem so frei wie der große Bruder: nämlich gar nicht.
Die russische Politik war schon immer und ist unvereinbar mit europäischen Prinzipien und Werten, die chinesische Politik ist es auch. Putins Überfall ist, um im Bilde des schrecklichen Krieges in der Ukraine zu bleiben, ein Warnschuss, er muss zu einem Umdenken in den Beziehungen zu China führen.
Einen Dialog wird es weiter geben, und die wirtschaftlichen Verflechtungen lassen sich nicht so schnell lösen, dafür sind sie viel zu eng. Aber die Wirtschaft muss ihre Abhängigkeit von China verringern, und die Politik muss lernen, Chinas Schattenspiele zu durchschauen, wie es der China-Experte Mikko Huotari formuliert.
Der emeritierte Hongkonger Kardinal Zen Ze-kien hat vor ein paar Jahren gesagt, da ging es um ein vorläufiges Abkommen zur Ernennung von Bischöfen in China: „Die Chinesen sind sehr clever. Sie können mit Worten spielen.“ Zu oft hat der Westen den Worten aus Peking getraut. Das dürfen wir nicht mehr.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Kein Pardon mit Diktaturen
Stefanie Ball hält die deutsche China-Politik für blauäugig. Der Westen darf den Worten aus Peking nicht mehr trauen