Kommentar Fußball als Abbild der Gesellschaft

Steigende Abbruchzahlen im Amateurfußball wegen Gewalt und Diskriminierung sind ein Alarmzeichen. Zur Verurteilung Aktiver taugen sie dennoch nicht, meint Benjamin Kraus

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Benjamin Kraus
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Mannheim. Steigende Abbruchzahlen im Amateurfußball wegen Gewalt und Diskriminierung sind ein Alarmzeichen. Zur Verurteilung Aktiver taugen sie dennoch nicht. Handballern oder Basketballern, die „Gentlemans Sport“ in ihrer Blase loben, sei die tiefe gesellschaftliche Verwurzelung des Fußballs entgegengehalten. Der Fußball hält im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten fast alle sozialen Schichten gesund in Bewegung: in 99,9 Prozent aller Spiele übrigens weiter im Sinne von Fair Play und Respekt.

Zugleich ist der Fußball wie kein anderer Breitensport ein Abbild gesellschaftlicher Trends und Probleme. Die lassen sich aus dem „DFB-Lagebild Amateurfußball“ direkt und einfach herauslesen: Aggression steigt jedes Jahr mit der Herbsttristesse, ist bei geringerem Bildungsniveau höher ausgeprägt und bricht sich aktuell mit dem Aufkommen multipler Krisen und Zukunftsängste besonders ihre Bahn.

Was also tun? Am Wetter und der Weltpolitik kann der Fußball zweifelsohne wenig ändern, beim in Deutschland seit Jahrzehnten völlig vernachlässigten Thema Bildung sollte zuerst der Staat endlich mit Vernunft in Zukunft investieren. DFB und Landesverbände sollten daher an den Rahmenbedingungen arbeiten. In der Jugend hat man viel Gutes angestoßen in Fair-Play-Ligen und mit Verhaltensregeln für übermotivierte Eltern. Nun gilt es aufzuräumen, wo es aktuell am heftigsten eskaliert: in den unteren Männerligen.

Genau hier müssten die Unparteiischen am meisten geschützt werden – aber genau hier in der Kreisklasse pfeifen wegen Personalmangels die am wenigsten ausgebildeten Schiedsrichter pro Spieltag oft mehrere Partien als Solisten: für einen lächerlich geringen Stundenlohn von klar unter zehn Euro. Nichts davon rechtfertigt Gewaltausfälle auch nur im Ansatz. Aber es erhöht Fehlerquoten und schreckt potenziellen Nachwuchs ebenso ab wie andere für das Amt geeignete, dringend gesuchte Persönlichkeiten.

Mehr Praxisbegleitungen und attraktivere Bedingungen für Schiris auch in unteren Ligen, Regelschulungen auch für aktive Fußballer zur Aufklärung, harte Strafen samt transparenter Bekanntgabe von Maßnahmen nach Exzessen sowie die Erhöhung der Ausfallgebühren für Clubs, die keine oder zu wenige Referees stellen: Auch das sind Schritte zur Sicherung der Basis, die mehr Zuwendung verdient. Aktive, Vereine und der Verband müssen hier konsequent finanzielle und personelle Mittel bereitstellen.