Kommentar Für Frauengerechtigkeit muss noch immer gekämpft werden

Uta Keseling ist der Überzeugung, dass für Frauengerechtigkeit noch immer gekämpft werden muss - und der Weltfrauentag dafür ein guter Tag ist

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Als Berlin vor fünf Jahren überraschend den Weltfrauentag am 8. März zum Feiertag erklärte, wurde gespottet: Es sei Berlin gar nicht um Frauengerechtigkeit gegangen. Die Hauptstädter hätten sich vielmehr geschlechterübergreifend benachteiligt gefühlt, weil Berlin bundesweit die wenigsten gesetzlichen Feiertage hatte.

Die Idee für den Feiertag, den allein Mecklenburg-Vorpommern seit 2023 auch im Kalender hat, stammte von Iris Spranger (SPD), heute Berliner Innensenatorin. Der Tag solle genutzt werden, „um auf der Straße laut und sichtbar für die vollständige Gleichberechtigung und die Belange der Frauen einzutreten“, sagte sie. Eine Forderung, die seither durch immer neue Themen Aktualität gewann. 2019 war die #MeToo-Bewegung auf dem Höhepunkt: Weltweit machten dabei betroffene Frauen auf sexuelle Gewalt aufmerksam. Ab 2020 zeigte die Corona-Pandemie, wie Krisen Ungerechtigkeiten verstärken: Es waren vor allem Frauen, die ihre Arbeitszeit reduzierten, für Kinder und Angehörige sorgten und nebenbei das Homeschooling übernahmen. Kostenlos, natürlich.

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Warum Frauen finanziell oft nicht auf eigenen Füßen stehen

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Von
Julia Emmrich
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Vor einem Jahr schaute die Welt am 8. März auf den Iran. Im Jahr 2022 war dort die angehende Studentin Jina Mahsa Amini wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Kopftuchgesetz von der Sittenpolizei geschlagen worden und an den Folgen gestorben. Seitdem führen uns die Bilder der Frauen, die im Iran ihr Leben riskieren, wenn sie auf der Straße ihre Haare zeigen, vor Augen, wie ungerecht Frauenrechte verteilt sind. Wenn wir noch hinschauen. Und heute? Wer erinnert sich noch an Jina Mahsa Amini? Gab es je eine Entschädigung für die Frauenarbeit in der Pandemie? Gerade ermittelte das Statistische Bundesamt, dass Frauen auch heute in Deutschland deutlich mehr unbezahlte „Care“-Arbeit leisten als Männer. Groß aufgeregt hat sich niemand.

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Was sind die aktuellen Frauenthemen? Man hört gerade nicht so viel, aber das sagt vielleicht mehr über den Lärm auf der Straße aus als über die Dringlichkeit der Probleme. Selbst der erbitterte Streit um das Gendern im Namen der Geschlechtergerechtigkeit ist inzwischen etwas verblasst angesichts andauernder Nachrichten über Bauernproteste, Großdemonstrationen gegen die AfD und antisemitische Übergriffe in Berlin. Wer heute mit jungen Frauen spricht, auch in hippen, kreativen Berufen, im Tech-Bereich und in Führungsebenen, hört nach wie vor von Stereotypen, von männlichen Machtspielen, von Benachteiligung bei Gehältern und der Vereinbarkeit von Job und Familie. Dass bei uns für Frauen längst nicht alles gerecht ist, davon erzählen auch die Tarifauseinandersetzungen bei der BVG, in Supermärkten oder am Flughafen.

Die Tradition des Frauentags hat mit dem Mut angefangen, für die eigenen Rechte einzustehen. 1911 waren die weltweiten Demonstrationen von Millionen Frauen für ihr Wahlrecht eine Provokation. Heute halten wir Wahlrecht, Demonstrationsrecht und Meinungsfreiheit für selbstverständlich. Doch Mut ist wie ein Muskel, den man trainieren muss. In Berlin ist er weniger auf der Straße gefragt, im Schutz der Menge, als heutzutage hinter den Kulissen. Frauen verändern die Welt anders als Männer. Die Erfahrung sagt, dass sie Ungerechtigkeiten eher diplomatisch begegnen, als sofort zum Kampf aufzurufen. Mit Verhandlungsgeschick, mit den besseren Argumenten, Netzwerken. Das erfordert besonders klugen Mut. Der 8. März ist ein guter Tag, damit anzufangen. Gerechtigkeit muss erkämpft werden, auch heute in Berlin.