Kommentar EU-Klimapaket: Realisierung erscheint unmöglich

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Detlef Drewes
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Wenn nach einer Gesetzesvorlage die Kritik von Befürwortern und Kritikern gleich laut erschallt, ist das üblicherweise ein gutes Zeichen. Weil man dann einen Mittelweg gefunden hat. Das ist zwar auch beim Klimapaket der Europäischen Kommission so, aber die Defizite sind eklatant.

Natürlich musste die EU-Behörde übertreiben, um am Ende der Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament den harten Kern ihrer Vorstellungen durchsetzen zu können. Doch dem Plan fehlt an vielen Stellen die nüchterne Bilanz des Ist-Zustandes in den Mitgliedstaaten.

Ein Beispiel: Wenn bis 2030 tatsächlich 40 Prozent aller Energie aus erneuerbaren Quellen stammen soll, dann ist ein beispielloser Schub an neuen Windrädern, Solar-Parks oder Wasserkraftwerken nötig, der weder planungstechnisch noch technologisch zu schaffen ist. Natürlich bleibt das Ziel wünschenswert, aber seine Realisierung erscheint völlig unmöglich. Solche Schwächen machen aus einem ambitionierten Konzept eine schwache Vorgabe, weil das Scheitern schon feststeht, bevor das erste neue Windrad errichtet wurde. So wirkt das Klimapaket der Kommission an vielen Stellen mit heißer Nadel gestrickt und zumindest in dieser Form nicht haltbar.

Ursula von der Leyen und ihr Team haben eben diesen politischen Realitätscheck übersprungen. Es bleibt ja richtig, dass derjenige, der das Klima schützen will, auch erzieherisch wirken muss. Aber der Grad der Überforderung für die Mehrzahl der Bürger ist so hoch ausgefallen, dass sich diese abwenden, anstatt die Ärmel hochzukrempeln. Zumal, wenn sie per Diktat aus Brüssel zu deutlichen Kostensteigerungen im Lebensalltag verpflichtet werden sollen, ohne dabei mitreden zu können.

Deshalb werden sich die von den politischen Mehrheiten in ihren Ländern getragenen Staats- und Regierungschefs leicht tun, den Aufstand zu proben und das Konzept zu zerfleddern. Bei anderen Vorstößen pflegt die Kommission sich vorher mit den Mitgliedstaaten abzustimmen. Das unterblieb dieses Mal. Warum? Vielleicht hat die Kommissionschefin gedacht, der Zeitpunkt der Präsentation vor der Sommerpause sei günstig gewählt, damit die Ideen jetzt erst mal Kreise ziehen. Das Gegenteil dürfte der Fall sein: Wenn im Herbst die Beratungen beginnen, wird genügend Zeit gewesen sein, um den Klimaplan aus Brüssel entlang seiner Schwachstellen zu zerlegen.

Korrespondent