Kommentar Die Schuldenbremse ist in Wirklichkeit ein Bremsklotz

Der Staat muss in den nächsten Jahren Investitionen tätigen, die dafür sorgen sollen, dass die deutsche Wirtschaft nicht abgehängt wird. Das Regelwerk der Schuldenbremse verhindert dies, kritisiert Walter Serif

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Walter Serif
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Vor drei Wochen hat das Bundesverfassungsgericht der Ampel-Koalition den Boden unter den Füßen weggezogen. Die Bundesregierung sucht seitdem verzweifelt einen Ausweg aus der Haushaltskrise, in die sie sich selbst manövriert hat. 17 Milliarden Euro – also 3,6 Prozent des Haushalts 2023 – fehlen in der Kasse. Das ist keine Riesensumme. Und dennoch fällt es der Koalition so schwer, diesen Betrag zusammenzukratzen, weil die drei Partner unterschiedliche Klientel zu bedienen haben. Die FDP würde am liebsten Sozialleistungen kürzen, SPD und Grüne favorisieren dagegen ein weiteres Aussetzen der Schuldenbremse. Letzteres lehnen die Liberalen ab. Am Ende muss es aber einen Kompromiss geben, sonst kann sich die Ampel gleich selbst auflösen und in Neuwahlen untergehen.

Ideen, wie man die Haushaltslöcher stopfen kann, gibt es genug. Monika Schnitzer, die Chefin der Wirtschaftsweisen, hat im Interview mit dieser Redaktion einige genannt, wie zum Beispiel die Streichung des Diesel- und des Dienstwagen-Privilegs. All dies ändert aber nichts daran, dass die Statik der Haushaltspolitik nicht mehr stimmt. Dennoch arbeitet die Koalition, als hätte es die viel beschworene Zeitenwende nicht gegeben.

Die Herausforderungen, die die Zukunft an uns alle stellt, lassen sich nicht mit ideologischer Verbohrtheit und Beratungsresistenz meistern. Es ist unverständlich, dass Unionsfraktionschef Friedrich Merz und FDP-Finanzminister Christian Lindner mit der Schuldenbremse wie mit einem Fetisch umgehen. Der Staat muss in den nächsten Jahren Investitionen tätigen, die dafür sorgen sollen, dass die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb nicht abgehängt wird. Das Regelwerk der Schuldenbremse verhindert dies.

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Wenn Union und FDP meinen, dass man nicht so viel Geld für angebliche grüne Spinnereien wie den Klimaschutz ausgeben muss, entlarven sie sich als ökonomische Laien. Dass der Staat zum Beispiel in die Elektromobilität investiert, ist nicht nur gut für den Klimaschutz, sondern auch für die Automobilindustrie, die ohnehin Gefahr läuft, von den chinesischen Herstellern abgehängt zu werden.

Der Staat muss auch in die Infrastruktur investieren, der Nachholbedarf ist so hoch, dass er diese Ausgaben nicht aus dem laufenden Haushalt stemmen kann. Das hätten die Finanzminister in der Ära Merkel tun können, doch sie ließen sich lieber für die schwarze Null im Etat feiern – während die Straßen, Brücken und Schienen verrotteten.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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