Inflationsangst essen Seele auf – so lässt sich die Gemütslage der Deutschen in Abwandlung eines Sozialdramas von Rainer Werner Fassbinder umschreiben. Alles, was knapp ist, wird teurer. Und weil die Verbraucher auch noch wie irre hamstern, sind manche Regale leer – die nächste Lieferung Sonnenblumenöl wird dann garantiert noch mehr kosten. Die Inflation frisst unser Geld auf, die Europäische Zentralbank weigert sich, die Zinsen zu erhöhen – aus falscher Angst, dass dann die Konjunktur abschmieren könnte. Außerdem gehört die Bekämpfung der Inflation zur wichtigsten Aufgabe der Zentralbank.
7,3 Prozent im März – ähnlich hoch war die Inflationsrate zuletzt 1981. Neben dem Ukraine-Krieg, der die Energiepreise noch mehr steigen lässt, sind auch die Staatshilfen inflationstreibend. Und weil Fachkräfte Mangelware sind, können die Gewerkschaften höhere Löhne aushandeln – welche die Unternehmen wieder auf die Preise draufschlagen. Ein wahrer Teufelskreis, der die Verbraucher in den Wahnsinn treiben kann.
Der Ansturm auf die Discounter ist ein Hinweis dafür, dass es im angeblich so reichen Deutschland viele Menschen gibt, die statt zu Edeka jetzt lieber auf Schnäppchenjagd gehen. Aldi Süd verspricht derzeit „Preise zum Augenmachen“. Auch die Tafeln erleben großen Zulauf – und zwar nicht nur von Flüchtlingen aus der Ukraine. Die ohnehin mickrigen Hartz-IV-Sätze kennen das Wort Inflation nicht.
Dass der Sozialstaat in eine Schieflage gerät, ist also durchaus möglich. Es gibt aber auch viele Bürgerinnen und Bürger, die genügend Geld auf der hohen Kante haben. Aber auch das ist relativ. 10 000 Euro auf dem Girokonto können wie Schnee in der Sonne schmelzen, wenn Negativzinsen fällig werden und die Inflation das Vermögen aufzehrt. Zwar ist es wahrscheinlich, dass die Zeit der Negativzinsen zu Ende geht, es ist aber unwahrscheinlich, dass der Zinssatz auf Sicht die Inflation ausgleichen kann.
Deshalb müssen die Deutschen wohl ihr Verhalten ändern. Im internationalen Vergleich sind wir noch immer Aktienmuffel. Nur rund ein Drittel hat in Wertpapiere angelegt, am beliebtesten sind kurzfristige Anlagen wie das Girokonto oder das Sparbuch. Dumm sind die Anleger nicht. Sie wissen, dass die Rendite dort mickrig ist. Sie trauen sich aber nicht. Aktien gelten als Spekulationsobjekt. Die Angst vor Verlust oder vor dem Kauf falscher Aktien ist groß. Das ist verständlich. Man muss aber nicht gleich in die Vollen gehen und kann das Risiko bei der Geldanlage auch streuen. Zum Beispiel mit Aktienfonds.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Die hohe Inflation ist der helle Wahnsinn!