Wieder die Chemikalie Bisphenol A. Obwohl seit Jahrzehnten klar ist, wie problematisch das Hormongift ist, hat das Gesundheitsamt des Rhein-Neckar-Kreises gewaltige Grenzwertüberschreitungen im Trinkwasser zahlreicher Mietshäuser in Heidelberg und Umgebung festgestellt.
Besonders erschreckend ist das Ausmaß – in zweierlei Hinsicht. So wurden zum einen die zum Schutz der Menschen aufgestellten Grenzwerte teils um das Hundertfache überschritten. Und zum anderen sind nicht etwa ein oder zwei Immobilien betroffen, sondern offenbar eine dreistellige Anzahl von Mehrfamilienhäusern mit vielen Parteien.
Wieder einmal scheint es dabei die Schwächsten in der Gesellschaft zu treffen: Menschen, die in großen Wohnkomplexen leben, die sich eine bessere Wohnsituation schlicht nicht leisten können. Und kleine Kinder, bei denen die Chemikalie, die ähnlich wie das weibliche Sexualhormon Östrogen wirkt, schwere Langzeitfolgen haben kann. So senkt Bisphenol A die Fortpflanzungsfähigkeit, indem es unter anderem die Anzahl der Spermien reduziert. Krebserregend ist es noch dazu.
Billig und giftig
Es wird sich zeigen müssen, ob es sich bei den Hauseigentümern der betroffenen Immobilien um große Konzerne handelt, die eher den Gewinn als das Wohl ihrer Mieter im Blick haben. Oder ob hier auch kommunale Träger gespart haben. Denn eines ist jetzt schon klar: Die Chemikalie wird durch Epoxidharz freigesetzt, mit dem verzinkte Trinkwasserrohre saniert wurden – die kostengünstigste Variante. Und die problematischste.
Die Schuld an diesem Skandal – man muss es so nennen – tragen aber nicht nur die Vermieter, die gesetzlich dazu verpflichtet sind, einwandfreies Trinkwasser zur Verfügung zu stellen. Schuld ist auch der Gesetzgeber. Obwohl es bekannt ist, dass Epoxidharz Bisphenol A freisetzt, ist die Sanierung von Trinkwasserleitungen mit dem Kunststoff bis heute nicht verboten.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Chemikalie im Trinkwasser - ein Skandal
Madeleine Bierlein findet es unglaublich, dass das Gesundheitsamt Rhein-Neckar derart hohe Konzentrationen an Bisphenol A im Trinkwasser gefunden hat