Besser mehr Streifen

Timo Schmidhuber hält Videoüberwachung nicht für die Ideallösung im Streben nach Sicherheit

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Timo Schmidhuber
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Supermärkte, Parkhäuser, Straßenbahnen – an Orten wie diesen filmen Kameras heute häufig fast schon wie selbstverständlich, auch auf Plätzen und in Straßen vieler deutscher Städte sind die Geräte im Einsatz. Ihre Bilder sollen der Polizei nach Straftaten helfen, Täter zu fassen und Kriminelle im besten Fall von vornherein abschrecken. In großen Teilen der Mannheimer Innenstadt wollen Polizei und Stadtverwaltung in diesem Jahr mit der Installation von 71 Kameras ebenfalls für mehr Sicherheit sorgen. Anfangs noch werden Polizisten im Präsidium „live“ am Monitor die Bilder auswerten und – wenn sie sehen, dass sich eine Straftat anbahnt – eine Streife losschicken. Langfristig soll ein Computerprogramm, das derzeit noch entwickelt wird, die Auswertung übernehmen.

Mit diesem Projekt einer sogenannten intelligenten Videoüberwachung hat Mannheim deutschlandweit eine Vorreiterrolle. Trotzdem ist das kein Anlass für Hurra-Rufe. Der Titel „Überwachungshauptstadt“ taugt nicht gerade für die Stadtmarketing-Broschüre, der Einsatz der Kameras ist die Folge einer zuletzt deutlich gestiegenen Kriminalität in der Innenstadt.

Ob in Mannheim oder anderswo in Deutschland: Viele Menschen fühlen sich nicht mehr sicher – und befürworten deshalb den Kameraeinsatz. Horst Seehofer, der neue Bundesinnenminister in Berlin, hat das Thema auf seine Tagesordnung gesetzt, der Koalitionsvertrag sieht den Ausbau ebenfalls vor und nennt dabei ausdrücklich die intelligente Überwachung als mögliche Weiterentwicklung.

Viele in Deutschland bewerten den Wunsch nach Sicherheit mittlerweile höher als den nach persönlicher Freiheit. Die wird durch das öffentliche Filmen eingeschränkt – auch bei denen, die „nichts zu befürchten“ haben. Deshalb sind Kameras im öffentlichen Raum zu Recht an strenge Vorgaben geknüpft. Es macht einen Unterschied, ob ein Eigentümer in seinem Supermarkt oder der Staat in einer Fußgängerzone filmt.

Bringen Kameras tatsächlich mehr Sicherheit? In den kontrollierten Bereichen mit großer Wahrscheinlichkeit, deshalb wird die Überwachung diese Orte aufwerten. Mannheim hat das selbst schon erfahren. Bereits zwischen 2001 und 2008 wurde die Innenstadt überwacht. Die Kriminalität ging so stark zurück, dass von einem Brennpunkt keine Rede mehr sein konnte und die Kameras vom Netz mussten. Delikte wie zum Beispiel Drogenhandel werden sich dagegen einfach nur verlagern. Deshalb können Kameras immer nur ein Teil in einem Sicherheitskonzept sein.

Die Mannheimer Kommunalpolitiker stehen mit großer Mehrheit hinter der Videoüberwachung, manche sagen aber, sie täten das mit einem „Bauchgrummeln“. Verständlich. Zum einen stellt sich mit Blick auf den Datenschutz die Frage, welche Überwachungsmöglichkeiten aus besagtem Computerprogramm in Zukunft noch erwachsen können, an die wir heute vielleicht noch gar nicht denken. Zum anderen ist die Videoüberwachung im Streben nach Sicherheit nicht die Ideallösung. Die sieht anders aus. Zu ihr gehören Polizisten auf der Straße, die man im Fall einer Gefahr ansprechen kann. Zu ihr gehören Menschen, die auf ihre Mitbürger achten und nicht wegschauen, wenn sie Hilfe brauchen. Zu ihr gehören eine Politik und eine Wirtschaft, die Menschen Lebensperspektiven schaffen und so zumindest bei manchen verhindern, dass sie Straftaten begehen. Bei allen technischen Möglichkeiten – diese Ideallösung dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim