Kommentar Artensterben bedroht die Menschen

Madeleine Bierlein über den Tag des Artenschutzes

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Madeleine Bierlein
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Coronakrise, Klimakrise – und nun auch noch ein kapitales Artensterben? Nach einem Jahr Pandemie haben wir Menschen den Krisenmodus satt. Um uns mit dem Tag des Artenschutzes an diesem Mittwoch auseinanderzusetzen, dürften die allermeisten von uns kaum Reserven mehr haben. Der Wunsch, endlich zur Normalität zurückzukehren, überragt alles. Das ist verständlich – und könnte sich doch als gewaltiger Trugschluss entpuppen. Denn es ist gerade die vor Corona gelebte Normalität, die die Welt aus den Fugen gebracht hat.

Die Hälfte aller Arten weltweit ist vom Aussterben bedroht. Das betrifft große exotische Säugetiere wie das Nashorn und den Berggorilla, aber auch kleinere wie die bei uns heimischen Feldhamster und Fledermäuse. Zahlreiche hier lebende Vögel und Reptilien stehen auf der Roten Liste. Noch bedrohlicher für uns ist das dramatische Insektensterben. Wenn die Zahl der Wildbienen weiter so abnimmt wie zuletzt, wird sich dies auch auf die Bestäubung von Obst und Gemüse auswirken. Und welche Folgen es haben dürfte, wenn das Artensterben Mikroorganismen erfasst, lässt sich kaum ausmalen.

Natürlich sind diese Gedanken unerfreulich. Aber wegducken bringt nichts. Wer seine Windschutzscheibe nach einer langen Autofahrt ansieht, wird da nicht viel finden. Die Älteren aber wissen: Früher war eine Reise in den Urlaub mit regelmäßigen Stopps an der Tankstelle zum Putzen der Scheibe verbunden – so viele tote Insekten klebten daran.

Was hat sich seither geändert? Ganz klar – die industrielle Landwirtschaft, getrieben vom Verhalten der Verbraucher und Verbraucherinnen. Fast alle von uns nutzen die Natur über ihre Möglichkeiten hinaus. Wir zerstören natürlichen Lebensraum, konsumieren als hätten wir fünf Erden. Haben wir aber nicht. Und dennoch schreitet die Zerstörung – etwa durch Versiegelung von Flächen – weiter voran.

Dabei bedenken wir eines nicht: Wir sind Teil des Ökosystems. Wenn Tiere und Pflanzen aussterben, trifft das auch den Menschen. Wenn die Bevölkerung ungebremst zunimmt und die Menschen in Lebensräume von Wildtieren vordringen, dann drohen gefährliche Krankheitserreger auf sie überzugehen – und im schlimmsten Fall eine Pandemie auszulösen. Wie jetzt.

Es führt kein Weg daran vorbei: Wir Menschen müssen wieder lernen, im Gleichgewicht mit der Natur zu leben. Denn nur so lassen sich die Krisen von morgen und übermorgen verhindern – oder zumindest abmildern.

Redaktion Nachrichtenchefin mit Schwerpunkt Wissenschaftsjournalismus