Kommentare Ampel in drei Krisen

Ein Jahr nach dem optimistischen Selfie sind die Protagonisten in die Realität zurückgeschleudert worden. Die Ampel leuchtet nur noch matt - der Druck indes ist gewaltig, meint Jörg Quoos

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Jörg Quoos
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Es war vielleicht der überraschendste Moment, bevor die Ampel-Koalitionäre vor einem Jahr zusammenfanden: Am 28. September posteten Christian Lindner, Volker Wissing, Annalena Baerbock und Robert Habeck ein Foto aus den Verhandlungen. Die designierten Regierungspartner wirkten nicht wie etablierte Politikprofis. Ganz zwanglos lächelte die Truppe. Wie Freunde, die sich nach langer Zeit wieder gefunden und Spaß haben.

Zwischen dem optimistischen Foto von 2021 und der Realität im grauen Dezember 2022 liegen zwölf Monate, die die Protagonisten in die Realität zurückgeschleudert haben. Zwischen Grün und Gelb liegen immer noch Welten, und der dominierende rote Teil muss darum kämpfen, dass die Ampel noch betriebssicher leuchtet.

Die schlechten Umfragen für die amtierende Regierung sind nicht schön, aber man könnte sie drei Jahre vor der nächsten Wahl ignorieren. Problematischer ist der tiefe Dissens, der immer wieder aufbricht und nur brachial zu klammern ist. Schon wegen lächerlicher drei Monate Laufzeit der Atomkraftwerke musste der Kanzler die Richtlinienkompetenz aus den Tiefen des Grundgesetzes holen, um sich durchzusetzen.

Jetzt – bei der Einbürgerung – will die FDP vom Koalitionsvertrag nichts mehr wissen. Obwohl man sich Buchstabe für Buchstabe auf eine gemeinsame Haltung geeinigt hatte. Beim Thema Waffenlieferungen an die Ukraine treiben beide Ampel-Partner – FDP und Grüne – den Kanzler seit Monaten vor sich her.

Man muss kein Paar-Experte sein, um vorauszusagen: Wenn die Harmonie weiter so ab- und das Auseinanderdriften der Pole innerhalb der Ampel weiter derart zunimmt, endet das nicht gut. Wie bei unkittbaren Beziehungen vielleicht in Sprachlosigkeit und lähmendem Status quo. Oder in einem furiosen Ende. Die komplizierte Dreierbeziehung bräuchte eine Erholungsphase, aber die ist nicht in Sicht. Spätestens höhere Steuern für Besserverdienende werden die Liberalen wieder auf die Barrikaden bringen. Zu jung ist die politische Nahtoderfahrung nach der Niedersachsenwahl, wo die FDP an der Fünfprozenthürde scheiterte.

Auch wenn die Prognosen für die Ampel – Stand heute – wenig optimistisch sind, darf nicht vergessen werden: Noch keine Regierung ist in eine derart monströse Multi-Krise hineingewählt worden wie diese. Es gab Regierungen, die wären schon an einer Krise gescheitert. Es ist das Schicksal der Ampel, gleich drei meistern zu müssen: die Gefahr eines Dritten Weltkriegs, die Hyperinflation plus eine Pandemie historischen Ausmaßes.

Helmut Kohl hatte die Folgen der Wiedervereinigung zu lösen. Gerhard Schröder hielt Deutschland aus einem blutigen Irak-Krieg heraus, Angela Merkel wehrte erfolgreich eine schwere Finanzkrise ab und rieb sich danach in einer Flüchtlingskrise auf. Das Krisenszenario von 2022 hätte man keinem von ihnen gewünscht, und niemand könnte heute darauf wetten, dass es die drei Vorgänger von Scholz wesentlich besser gemacht hätten. Aber da Politik bekanntlich ungerecht ist, hilft auch ein fairer Blick auf die äußeren Umstände nicht. Wer gewählt ist, muss gut regieren und „Schaden vom deutschen Volke abwenden“. Die Ampel unter Scholz versucht das erkennbar – aber zu einem hohen Preis. Schon lange nicht mehr hat eine Regierung derart viele Milliarden eingesetzt, um den Bürgerinnen und Bürgern durch diverse Notlagen zu helfen. Ob es gelingt, werden erst die nächsten Monate zeigen. Und ob der teure Weg auch vernünftig war, wird die nächste Generation beurteilen.