Wie wird aus einer Idee ein Geschäft, Herr Lichtenauer?

Innovation heißt das Zauberwort, damit Deutschland auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleibt. Das vorhandene Wissen muss besser genutzt werden – doch oft hapert es schon an Grundsätzlichem, weiß Unternehmer Philipp Lichtenauer. Ein Gastbeitrag

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Philipp Lichtenauer
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„Gute Ideen allein reichen nicht. Nicht Ideen, sondern die kommerzielle Durchsetzung einer Idee, das ist eine Innovation.“ Diese Definition ist nicht von mir, sondern von einem, der nicht im ökonomischen Mainstream verhaftet war und sich sehr früh mit Innovation und Unternehmertum beschäftigt hat: der österreichische Wissenschaftler Joseph Schumpeter. Eine gute Idee führt nicht zwingend zu einem guten Geschäft. Eine gute Idee ist deswegen auch per se keine Innovation. Wenn wir alles, was irgendwie ein bisschen anders erscheint, als Neuheit und als Innovation feiern, dann müssen wir uns auch nicht wundern, dass viele Investoren sich zurückhalten und dass wir in Europa bei den derzeitigen Technologiewellen nicht vorne mitspielen, sondern sogar hinterherhinken. Wie gesagt, nicht jedes einigermaßen gut gelungene Technologieprojekt ist das Bombengeschäft der Zukunft.

Muss denn immer ein Profitgedanke dahinterstehen, mögen Sie sich vielleicht fragen. Ein erfolgreiches Geschäft erfüllt ein Bedürfnis und deshalb kaufen die Leute das Produkt – zum Beispiel ein Brötchen oder ein anderes Gut. Ein Geschäft aufzubauen ist deswegen so wichtig, weil es anders als eine „good will“-Aktion darauf basiert, dass ihr Kunde wirklich überzeugt ist von dem, was Sie da liefern, und auch bereit ist, dafür etwas von Wert herzugeben.

Der Gastautor

Philipp Lichtenauer ist Unternehmer in der Plasmatechnologie sowie Vorsitzender des Kuratoriums des Fraunhofer Instituts IST.

Der promovierte Volkswirt war zuvor als Manager auf internationalem Niveau für den Technologiekonzern Philips tätig.

Seit seinem Wechsel in das Unternehmerlager vor 20 Jahren hat er mehrfach gegründet und Gründungen begleitet.

Gerade ist im Redline Verlag sein Buch „Ohne starke Nerven geht es nicht – Der erfolgreiche Weg vom Angestellten zum Unternehmer“ erschienen. (Bild: Privat)

Das ist der Sinn eines Geschäftes und deswegen sind Geschäfte auch nachhaltiger als beispielsweise eine politische Anordnung oder eine gute Tat. Wird die politische Anordnung aufgehoben, ändert man sein Verhalten. Das beste Beispiel hierfür sind Steuern. Eine gute Tat wird gerne empfangen, aber spenden möchte man deswegen nicht. Dann wäre es ja wieder ein Geschäft.

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Hier scheint es hilfreich zu sein, Klarheit in einige fundamentale Begriffe oder Kategorien zu bringen. Was ist eine Idee, was ist ein Produkt und was ist ein Geschäft? Das mag zunächst sehr banal klingen, aber wenn diese drei Begriffe nicht verstanden sind, dann strandet man mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf dem Weg von der Idee zum Geschäft im sogenannten valley of death. Man verwechselt Idee mit Produkt und – schlimmer noch – Produkt mit Geschäft. Man denkt, man ist auf dieser „Reise“ weiter als man wirklich ist und hat das sogar seinen Kapitalgebern erzählt.

Die Konsequenz: Der Erfolg stellt sich nicht so ein, wie im Businessplan prognostiziert, die Kapitalgeber werden unruhig und ziehen sich zurück, ebenso auch wichtige Mitarbeiter und die ganze Unternehmung kommt ins Straucheln.

Jochen Röpke, einer der Pioniere in der ökonomischen Forschung zum Unternehmertum, bringt es mit Bezug auf Joseph Schumpeter auf den Punkt: „Existenzgründer ohne unternehmerische Fähigkeit in den Markt zu locken, bedeutet letztlich ihnen eine Eintrittskarte für das Drama ,schöpferische Zerstörung’ zu geben, bis hin zur möglichen persönlichen Insolvenz.“

Beachten Sie, dass wir alle ein sehr diffuses Bild davon haben, was ein Unternehmer ist und was unternehmerische Fähigkeiten sind. Wir verlangen von Unternehmern, der Motor für Innovationen zu sein. In diesem Zusammenhang kann man auch die politische Forderung nach „mehr Unternehmertum“ vernehmen. Allerdings sind Unternehmer nicht per se immer der Motor von Innovationen. Es ist auch naiv zu glauben, dass die Forschung Innovationen hervorbringt und der Unternehmer diese dann nimmt und daraus ein Geschäft macht. Wir leiden unter diesem Begriffswirrwarr: Unternehmer ist nicht gleich Unternehmer und Innovationen sind nicht gleich Innovationen.

Ökonomisch lassen sich drei beziehungsweise vier unternehmerische Funktionen und Innovationsverständnisse ausmachen: die des Optimierers, die des Arbitrageurs oder die des Innovators oder market makers. In der unternehmerischen Funktion des Optimierers geht es um das Durchsetzen von effizienten Methoden, um das vorgegebene Ziel mit minimalen Mittel- oder Ressourceneinsatz zu erreichen, nichts zu verschwenden oder schonend mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen. Innovationen dienen hier der Effizienzverbesserung. Die reine Arbitragefunktion achtet auf Preisdifferenzen und sorgt dafür, dass sich Angebot und Nachfrage finden und die Märkte sich in Richtung eines Marktgleichgewichts bewegen, das typische Handelsgeschäft. Die „market maker“-Funktion erschließt neue Märkte in der Regel mit vorhandenen Produkten – das was auch als sustaining innovations bezeichnet wird, während die komplette Neukombination, das heißt, die Entwicklung eines neuartigen Produktes, die Innovation, in der Regel zeitlich sehr viel aufwendiger ist und immer weit unterschätzt wird. Das ist dann die Funktion des Innovators.

Entsprechend häufig erlebt jeder von uns die Ausübung dieser Funktionen und das wiederum prägt das gängige Unternehmerbild. Optimierungen und Handel sind tägliches Geschäft. Die meisten von uns sind genau für diese Funktionen beschäftigt. Während der Angang neuer Märkte eher in Jahresfristen geplant wird.

Echte disruptive Innovationen hingegen sind – wenn überhaupt – sehr selten, und werden ein bis zweimal im Leben eines Unternehmers angegangen. Auch hier gibt es natürlich Ausnahmen, die sogenannten Mehrfachgründer. Diese sind aber, ökonomisch gesprochen, eher Arbitrageure, sie gründen Firmen, um diese dann zu verkaufen.

Die Frage ist: Wie könnten wir uns in eine unternehmerische Wissensgesellschaft entwickeln, in der Erkennen oder Wissen zu Handeln führt oder in der Ideen zu Geschäften werden?

Wir leben in einer Wissensgesellschaft. Wissen ist unser wichtigster Rohstoff. Wissensgesellschaften sind aufgrund der grenzenlosen Verfügbarkeit von Wissen sehr wettbewerbsintensiv. Der Zugang zu Wissen ist nicht mehr lokal an die jeweilig forschenden Institutionen gebunden. Was in Deutschland erdacht wurde, kann zum Beispiel in Hyderabad umgesetzt werden oder umgekehrt. Das fordert die reiferen Volkswirtschaften, wie die unsere, sehr heraus.

Der komparative Kostenvorteil der reiferen Volkswirtschaften liegt bei wissens- beziehungsweise technologieintensiven Gütern. Das bedeutet, dass unser hoher Lebensstandard durch Innovationen gerechtfertigt werden muss.

Jetzt wird der eine oder andere einwenden, dass trotz einer, im Vergleich zu früheren Zeiten, hohen Verfügbarkeit von Wissen, die Entwicklungs- und Schwellenländer bisher die reiferen Volkswirtschaften nicht überholt haben. Das ist zugegeben sehr erstaunlich. Woran liegt das? Wissen wird nur dann produktiv, wenn es zu Handlung führt – die Verbindung von Wissen und Handeln ist die aktuelle zentrale Schlüsselkompetenz, und Wissen muss sich in Geschäft wandeln.

Staatliches Handeln ist nur bedingt hilfreich – mehr als Fundament, aber nicht als Protagonist. Denn wenn der politische staatliche Zwang oder der Anreiz entfällt, erlischt auch das entsprechende Handeln. Wenn hingegen eine echte Nachfrage entsteht nach dem Angebot, das aus dem Wissen resultiert, dann können wir – im wahrsten Sinn des Wortes – von Nachhaltigkeit sprechen. Auch deswegen ist es wichtig, aus Ideen Geschäft zu kreieren.

Allerdings hemmt die zurzeit vorherrschende Trennung und Spezialisierung zwischen Forschung und Wissenschaft auf der einen und Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse auf der anderen Seite die Innovationstätigkeit. Die herkömmliche Inputlogik, das heißt, die Wissenschaft als klassischer Zulieferer der Wirtschaft, dauert aufgrund der vielen Beteiligte und Betroffene und deren jeweiligen Interessen, Risikoabwägungen und Verantwortungsbereichen sehr lang, wenn denn überhaupt ein Transfer gelingt.

Erschwerend kommt hinzu, dass zudem auch oft die Nutzer dieser neuen Erkenntnisse wissenschaftlich gebildet sein müssen. In einem solchen Umfeld müssen dann die Erzeuger dieser Erkenntnisse, diejenigen mit einer Expertise, dieses Wissen auch praktisch durchsetzen und zur Anwendung bringen. Eine wirklich gigantische Aufgabe mit hohem Gefahrenpotential.

Deswegen sind unternehmerischen Fähigkeiten so entscheidend für den Erfolg – und unseren Wohlstand. Mit Wohlstand meine ich nicht nur unsere materielle Versorgung, sondern auch unsere Lebensqualität an sich, sowohl für uns als Individuum als auch für uns als Gemeinschaft dieser Welt.

Idealerweise sollten Erkenntnis, Wissenschaft und Theorie sowie unternehmerische Praxis zunehmend zusammenrücken – auf die Biontech Gründer wird in diesem Zusammenhang gerne hingewiesen.

Wissen entsteht eben nicht wie ein vorhandenes Produkt, zum Beispiel ein Kuchen oder Auto, zu deren Herstellung man bestimmte Zutaten und Gerätschaften benötigt. Wissen folgt nicht einer quantitativen Input-Output-Logik: mehr rein – im richtigen Verhältnis – mehr raus. Wissen entsteht durch Versuch und Irrtum, durch Fragen, deren Antworten noch nicht bekannt sind, und letztlich durch Veränderung von Arbeitsweisen. Wenn man so will, Wissen entsteht durch die Veränderungen des „richtigen Verhältnisses“, so sehr, dass bestimmte Inputs sogar nicht mehr benötigt werden.

Dieser Denkansatz ist nicht neu. Formuliert hat ihn Joseph Schumpeter bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. In seinem Verständnis ist eine auf Wissen basierte wirtschaftliche Entwicklung eine aus dem wirtschaftlichen und sozialen Gefüge selbst erzeugte Entwicklung. Diese wirtschaftliche Entwicklung offenbart sich in qualitativen Veränderungen, in neuen Kombinationen und vollzieht sich im kommerziellen Durchsetzen dieser neuen Kombinationen.

Kann man denn Menschen zu Unternehmern ausbilden, wie zum Beispiel im Handwerk? Nein, nicht wirklich. Denn überträgt man diesen gerade oben geäußerten Gedanken auf das Unternehmertum selbst, hieße das, Unternehmer werden nicht aus Inputs erzeugt, sie evolvieren aus sich selbst, jeweils mit den ihnen gegebenen Ressourcen.

Wenn neues Wissen nachhaltig genutzt werden soll, muss es sich in ein Geschäft transformieren lassen. Diese Transformation ist der Nukleus, aus dem das Unternehmertum entsteht.

Zurzeit liegt der Fokus der (Wirtschafts-) Politik nur sehr selektiv auf einzelne Branchen und wirkt damit lediglich strukturerhaltend, den Status quo konservierend. Eine wirkliche Wirtschaftspolitik, die nachhaltig künftigen Wohlstand garantiert, sollte jedoch dafür sorgen, dass sich durch Kenntnis und Integration der verschiedenen wirtschaftspolitischen Ansätze und Konzepte die Innovations- und Evolutionsmechanismen entfalten können. Oder sehr konkret mit Blick auf das Unternehmertum formuliert, eine solche Wirtschaftspolitik existiert nur dann, wenn die Kompetenzen und Fähigkeiten in den einzelnen Unternehmerfunktionen und vor allem in der Evolution zwischen den drei beziehungsweise vier einzelnen Unternehmerfunktionen verstanden und gelebt werden.

Es geht um Fähigkeiten im weitesten Sinn und um unternehmerische Fähigkeiten im Besonderen. So könnte Unternehmertum als Wirtschaftspolitik wirken. Und so könnten wir uns sich in eine unternehmerische Wissensgesellschaft entwickeln, in der Erkennen oder Wissen zu Handeln führt.

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