Nur eine Minderheit der Deutschen legt ihr Gespartes an Aktienmärkten an. Fasst man die Investitionen in Belegschaftsaktien, in Einzelaktien und in Aktienfonds zusammen, liegt die Quote der Aktionäre bei uns nur bei rund 15 Prozent - oder andersherum: 85 Prozent der Sparer können oder wollen mit dem Aktienmarkt nichts zu tun haben.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein wichtiger Grund ist sicherlich das mangelnde Vertrauen der Bevölkerung in Aktienmärkte vielleicht aufgrund schlechter Erfahrungen, vielleicht aufgrund fehlender Vertrautheit. Können wir den Aktienmärkten vertrauen? Lohnt es sich, in Aktien zu investieren?
Wenn wir sparen (müssen), streben wir natürlich eine hohe Rendite an und das am besten ohne großes Risiko. Hier zeigt die Forschung jedoch völlig eindeutig, dass es einen Zusammenhang zwischen erwarteter Rendite und Risiko gibt: Nur wer bereit ist ein höheres Risiko einzugehen, kann eine höhere Rendite erwarten. Ohne Risiko bleibt nur die Anlage auf dem Sparbuch oder als Festgeld mit dem bekannten geringen Zins. Mögliche Anlagen wie "zehn Prozent Zins sicher durch Investition in Holz" sind nur ein anderes Wort für Betrug.
Es gibt eine Vielzahl von risikobehafteten Anlagemöglichkeiten, seien es alte Autos, Immobilien, Unternehmensanleihen, Lebensversicherungen, Kunst jeglicher Art, orientalische Teppiche, griechische und andere Staatsanleihen und eben die Aktien. Die Aktie als Unternehmensbeteiligung ist dabei etwas Besonderes. Wird sie an der Börse gehandelt, gibt es praktisch jederzeit einen korrekten, fairen Preis sowie die Möglichkeit, die Aktie zu relativ geringen Kosten zu kaufen oder zu verkaufen. Erst dadurch wird es für eine breite Bevölkerungsgruppe möglich und sinnvoll sein, sich an Unternehmen zu beteiligen, Unternehmerrisiken einzugehen und damit eine über dem sicheren Zins liegende Rendite zu erwarten.
Wir haben ökonomische Theorien, die den Zusammenhang von Risiko und erwarteter Rendite erklären, und umfangreiche empirische Untersuchungen, die den Zusammenhang anhand von Marktpreisen in der Realität dokumentieren. Für den US-Aktienmarkt hat man Daten, die sogar 190 Jahre zurückreichen: die durchschnittliche jährliche Rendite betrug rund sieben Prozent, natürlich mit erheblichen Schwankungen - und dies über alle Finanzkrisen und Kriege hinweg. Für die anderen Weltbörsen sieht es ähnlich aus.
Sollten wir nun an der Börse dabei sein und dem Aktienmarkt vertrauen? Lassen Sie uns überlegen, wie der Aktienmarkt das Versprechen "korrekter" Preise zu erfüllen versucht und damit sicherstellt, dass wir beim Kauf und Verkauf von Aktien nicht von Insidern, Banken oder Großanlegern über den Tisch gezogen werden.
Die Aktie stellt eine Unternehmensbeteiligung dar, das bedeutet, mit der Aktie sind wir an zukünftigen Gewinnen und Verlusten des Unternehmens sowie am Liquidationswert (also einem möglichen Verkaufspreis) beteiligt. Der Preis der Aktie soll idealtypisch die korrekte Bewertung der Unternehmensbeteiligung widerspiegeln, indem alle vorhandenen Informationen in dieser Bewertung - dem Preis der Aktie - zusammengefasst werden.
Das hört sich im ersten Moment ziemlich unrealistisch an und doch geht die Forschung heute davon aus, dass das Sprichwort "Der Preis ist richtig" seine Berechtigung hat. Immerhin hat Eugene Fama, Professor an der Business School der Universität von Chicago, für diese Idee 2013 den Nobelpreis für Ökonomie erhalten.
Bedenken Sie, dass sich weltweit bestimmt jeden Tag Hunderte von Menschen damit beschäftigen, welchen Wert eine Aktie von BASF oder SAP haben sollte: Finanzanalysten beschäftigen sich hauptberuflich mit der Bewertung, Fondsmanager analysieren die Geschäftsmodelle, um die für ihren Fonds optimalen Aktien zu finden, Privatanleger folgen den Wirtschaftsnachrichten, um bestmöglich zu investieren, und Investmentbanken suchen im Eigenhandel auch nach der richtigen Anlage.
Alle Marktteilnehmer wollen Geld verdienen, aber für jeden begeisterten Käufer gibt es einen Verkäufer, der froh ist, die ihm überteuert erscheinende Aktie wieder loszuwerden. Der Handel ist ein intensiver Konkurrenzkampf um die richtige Bewertung einer Aktie und die Börse (der Aktienmarkt) stellt dafür einen hochmodernen Marktplatz zur Verfügung. Viele Transaktionen in kürzester Zeit führen dazu, dass wertrelevante Informationen außerordentlich schnell im Preis enthalten sind: "Der Preis ist richtig".
Nehmen Sie an, sie wüssten, dass der wahre Wert einer SAP-Aktie höher als der momentane Börsenpreis ist. Sie (oder ein Hedgefonds mit mehr Kapital) würden sofort Aktien kaufen, der Preis würde darauf reagieren und steigen, bis er wiederum alle verfügbaren Informationen korrekt widerspiegelt.
Sehen Sie es so: das ganze Handeln, die ganze Hektik an den Börsen, das ganze Profitstreben trägt letztendlich zur korrekten Bewertung von Aktien bei. Umfangreiche Gesetze unter anderem gegen den Insiderhandel, über die Zulassung zum Börsenhandel und zur Informationspflicht der Unternehmen bilden weitere Rahmenbedingungen zum Handel an den Börsen und sollten unser Vertrauen in den Aktienmarkt verstärken.
Die wichtigste Implikation der Aussage "Der Preis ist richtig" dürfte sein, dass der morgige Preis nicht vorhersagbar ist (sonst wäre er ja heute schon nicht mehr korrekt). Formaler ausgedrückt heißt das, dass die Preisentwicklung am Aktienmarkt am besten durch einen Zufallsprozess beschrieben werden kann, der allerdings eine positive Rendite erwarten lässt. Wir wissen nicht, wie der Preis morgen ist (das ist der Risikoteil), können aber dafür eine positive Rendite erwarten. Umfangreiche empirische Analysen bestätigen diese Thesen immer und immer wieder.
Daraus folgt aber auch, dass der ein oder andere Bankberater umlernen muss: es gibt keine sicheren Aktientipps, Marktphasen kennen wir nur im Nachhinein, und dass der nächste Crash kommt, hat dieselbe Aussagekraft, wie dass wir alle sterben werden. Um es plakativer zu sagen: Man(n) kann den Markt nicht schlagen, das heißt, unsere Aktieninvestition sollte den Aktienmarkt abbilden (entsprechend der eigenen Risikoeinstellung), aber nicht versuchen, dem Zufall ein Schnippchen zu schlagen - vergessen Sie es einfach. Daten von Privatanlegern aus vielen Ländern zeigen immer wieder, dass der durchschnittliche, aktive, Schnäppchen jagende Privatanleger nur rund zwei Drittel der Risikoprämie des Aktienmarkts erzielt hat und es wird noch weniger, je mehr er oder sie handelt.
Und was ist mit der Telekom-Aktie - das müsste doch auch mein Vertrauen in Aktienmärkte erschüttern? Was soll man davon halten, dass im März 2000 für eine Aktie rund 100 Euro bezahlt wurden und heute der Preis derselben Aktie unter 20 Euro notiert? Ganz so schlimm war es nicht, da man in den ganzen Jahren signifikante Dividendenzahlungen erhalten hat, aber trotzdem! Der Kauf einer Telekom-Aktie als einzige Aktie war einfach eine schlechte, falsche Entscheidung (und man wäre genauso schlecht gefahren, wenn man in andere europäische Unternehmen der Telekommunikationsindustrie investiert hätte). Das absolute Grundprinzip des Investierens ist, das Aktieninvestment zu streuen und einen möglichst breiten Markt abzubilden. Daher kauft heutzutage Frau oder Mann einen kostengünstigen, sogenannten passiven Fonds, dessen einzige Aufgabe es ist, einen breitdiversifizierten Aktienindex abzubilden. Bei einer Investition im März 2000 in den DAX, den wichtigsten deutschen Aktienindex, hätte man heute einen Gewinn von rund 60 Prozent Gewinn erzielt.
Vertrauen Sie dem Markt! Wir werden nicht über den Tisch gezogen ("Der Preis ist richtig") und ein breit diversifiziertes Portfolio lässt uns am Unternehmertum der Welt partizipieren. Der Aktienmarkt bewertet unsere Unternehmensbeteiligung "Aktie" bestmöglich korrekt. Zusätzlich sind heute kostengünstige Fonds vorhanden, damit wir uns an breitdiversifizierten, internationalen Aktienmärkten beteiligen können und so am Gewinn (und am Risiko) des Unternehmertums teilhaben.
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