Debatte

Kann KI die Vier-Tage-Woche für alle bringen, Herr Magnussen?

Künstliche Intelligenz ist in der Lage, monotone Routineaufgaben für Arbeitnehmer zu übernehmen. Aber reicht das, um die Vier-Tage-Woche einzuführen? Ein Gastbeitrag.

Von 
Christoph Magnussen
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Da die KI in vielen Arbeitsfeldern Routineaufgaben übernehmen kann, rückt eine Vier-Tage-Woche für viele Arbeitnehmer näher, sagt unser Gastautor Christoph Magnussen. © picture alliance/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Künstliche Intelligenz ist in der Lage, in vielen Arbeitsbereichen Aufgaben zu übernehmen.
  • Wenn Mitarbeitende dadurch effektiver arbeiten, könnten sie die gleiche Arbeit in vier statt in fünf Tagen erledigen, sagt Gastautor Christoph Magnussen.

Mannheim. Ganz klar: Ja! Für die moderne Arbeitswelt sind Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) maßgeblich dafür, Arbeit neu zu gestalten und zu organisieren. Durch die Effizienzsteigerungen, die ChatGPT und Co. bringen, ist sogar die Vier-Tage-Woche keine Fantasie mehr – und keine Gefahr für unseren Wohlstand. Aber der Reihe nach.

Wie kaum ein anderes Modell der neuen Arbeitswelt ist die Vier-Tage-Woche immer wieder der zündende Funke für hitzige bis überhitzte Diskussionen. Wer junge Generationen pauschal verrufen will, stellt gern den Wunsch nach geringerer Arbeitszeit neben Wirtschaftsindizes – und zieht den Schluss, dass ein Weniger hier kein Mehr da bedeuten kann.

Leistung und Produktivität werden in Ergebnissen gemessen

Ein Irrtum. Denn Leistung und Produktivität werden nicht in Stunden, sondern in Ergebnissen gemessen. New Work – was als Begriff und Philosophie sinnbildlich für die modernen Ansprüche an Flexibilität und Vereinbarkeit steht – ist ja schließlich immer noch Arbeit! Zeit, dass Verfechter und Gegner der Vier-Tage-Woche verstehen, worum es bei der Frage nach Flexibilität und Vereinbarkeit eigentlich geht.

Stellen wir beide Positionen einmal gegenüber: Wer weniger Zeit bei der Arbeit verbringen will oder muss aufgrund anderer Tätigkeiten – Care-Arbeit, Familie, Ehrenamt, Nebenjob, Hobbys –, der sehnt sich nach mehr Flexibilität im Sinne der Vereinbarkeit. Vielleicht konkret nach einer Vier-Tage-Woche.

Da heißt es dann auf Arbeitgebendenseite: „Die wollen weniger arbeiten, wie soll das gehen!? Am besten noch bei gleichem oder mehr Lohn!?“ Es folgt dann oftmals noch ein dystopischer Abgesang auf „unsere Wirtschaft“.

Diskussion über neue Arbeits(zeit)modelle

Sofort läuft die Diskussion rund um neue Arbeits(zeit)modelle dann in die falsche Richtung. Die Fronten verhärten, „Arbeitsverweigernde“ gegen „Kapitalisten“. Das muss aber nicht sein, denn: Weniger arbeiten ist per se gar kein Problem. Weniger Zeit bei der Arbeit bedeutet ja nicht, dass weniger produktiv gearbeitet werden kann!

Übrigens ist es durchaus so, dass man bei einem Mehr an Zeit dazu neigt, selbige zu verschwenden. Das wird im Parkinsonschen Gesetz beschrieben: Arbeit dehnt sich demnach in dem Maße aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht. 40 Stunden Zeit, 40 Stunden Aufwand. 30 Stunden Zeit, 30 Stunden Aufwand.

Ich erlebe das selbst immer wieder im Team: Da sind Leute in Teilzeit, die teilweise produktiver sind, als andere in Vollzeit. Und warum? Weil sie effizienter arbeiten. Wer weniger Zeit hat, um eine Aufgabe zu erledigen, findet Wege, effizienter mit der Zeit umzugehen.

KI macht hier durchaus einen Unterschied

Aufgaben werden besser priorisiert und konsequent abgearbeitet, Routineaufgaben werden automatisiert – ja, KI macht da durchaus den Unterschied. Und, die Grundlage von allem: Das Mantra „Kollaboration ist Kommunikation“ wird viel stärker gelebt. Dahinter steckt die Überzeugung, dass jede Form von Zusammenarbeit, egal ob im Büro oder über Distanz, nur dann gelingt, wenn alle miteinander wirksam kommunizieren können. Wenn es ein gemeinsames Verständnis davon gibt, wer wann, wo und wie am besten erreichbar ist. Dabei gilt, dass die Kommunikation synchroner sein sollte, je emotionaler sie ist. Das bedeutet etwa, dass Informationen super über einen Team-Chat geteilt, Kreativaufgaben und Strategie-Updates besser im direkten Miteinander angegangen oder geteilt werden können.

Zurück zur eigentlichen Frage: Kann Künstliche Intelligenz uns die Vier-Tage-Woche für alle bringen? Ich habe sie eingangs bereits bejaht – und die Voraussetzung dargelegt, dass bei weniger Arbeitszeit mehr Effizienz im Sinne der Produktivität das Ziel sein muss. Denn nicht die Vier-Tage-Woche per se ist die Herausforderung, sondern das Erlernen von produktivitätssteigernden Arbeitsweisen. Und hier kommt die KI ins Spiel.

KI wird die Arbeitswelt auf den Kopf stellen

Wir stehen am Anfang der Veränderung, die die Arbeitswelt auf den Kopf stellen wird. KI bringt mehr Produktivität. Sie wird uns nicht ersetzen – aber Menschen, die sie nutzen, werden definitiv Vorteile gegenüber denen haben, die sich der Technologie verweigern.

Denn so war es doch schon immer: Diejenigen, die es geschafft haben, möglichst schnell und umfassend technologische Neuerungen in ihren Berufsalltag zu integrieren, hatten und haben dadurch extreme Vorteile und vor allem: mehr Zeit für andere Dinge.

Überall da, wo mit Daten und Informationen gearbeitet wird (also quasi überall), können dank KI mehr und mehr Zeit, Geld und Nerven gespart werden. Die Chance für einen emotional diskutierten Vorstoß: Wenn die Maschinen uns Menschen derart unterstützen, reichen doch vier Arbeitstage aus, um alles zu erledigen, oder?

KI hat bereits jetzt einen konkreten Einfluss auf verschiedene Aspekte unserer Arbeit. Für Personen, die Konzepte schreiben, Texte verfassen oder lesen, Bilder verwenden oder in Führungspositionen tätig sind, kann der kompetente Umgang mit KI-Tools äußerst vorteilhaft sein.

Monotone Routineaufgaben können automatisiert werden

Die Integration von Künstlicher Intelligenz ermöglicht zudem eine völlig neue Art der Arbeitsorganisation. Teams können KI nutzen, um ihre Aufgaben effizienter zu erledigen und neue Arbeitsprozesse zu entwickeln. Durch das Umdenken und die kreative Nutzung von KI können innovative Lösungen entstehen, die die Teamarbeit verbessern und die Effektivität steigern.

Die Automatisierung von monotonen Routineaufgaben ist ein weiterer Vorteil von KI. Dadurch gewinnen wir Zeit und Ressourcen, die wir für anspruchsvollere Aufgaben nutzen können. Es ist jedoch auch wichtig zu erkennen, dass KI nicht nur bei einfachen Aufgaben eingesetzt werden kann, sondern auch bei komplexen, aber wiederkehrenden Aufgaben, bei denen eine hohe Qualität erforderlich ist.

Der Einsatz von KI ermöglicht es uns, mehr Zeit für Tätigkeiten zu haben, die einen höheren Sinn und Wert für uns haben. Oder im New-Work-Sprech: um das zu tun, was wir wirklich, wirklich wollen.

Von der Sieben- zur Sechs- zur Fünf- zur Vier-Tage-Woche?

Im Laufe der Menschheitsgeschichte haben wir es geschafft, weitestgehend von Sieben- zu Sechs- zu Fünf-Tage-Wochen bei der Arbeit zu kommen. Eine generelle Vier-Tage-Woche ist da – dank KI – kein Ding der Unmöglichkeit.

Jedes Unternehmen steht aktuell vor der Herausforderung, mit weniger Ressourcen fast Unmögliches zu erreichen. Wenn wir uns überlegen, wie Arbeit heute aussehen kann, dann muss es nach wie vor um das Sicherstellen von Leistung und Produktivität gehen. Die Zukunft der Arbeit oder New Work, mit allen Verheißungen von mehr Flexibilität und Vereinbarkeit, ist also vor allem eine Frage der Einstellung: Wenn ich das machen will, was ich und wie ich es wirklich, wirklich will, dann muss ich bereit sein, Wege und Lösungen im Sinne aller Beteiligten zu suchen. Ein Mehr an Flexibilität und Vereinbarkeit kann ich nur dann fordern, wenn ich meine Leistungsfähigkeit im Sinne der Produktivität sicherstelle. Das muss der Deal sein.

Mentale Gesundheit durch flexiblere Arbeitszeiten

So eine Arbeitseinstellung zielt also nicht nur auf die Geschwindigkeit, sondern auch auf das Finden neuer Arbeitsweisen und den Austausch darüber ab. Gerade im Umgang mit KI-Tools ist es wichtig, im Team für gleiche Nutzungsmöglichkeiten zu sorgen. Das lohnt sich für Arbeitgebende übrigens in doppelter Hinsicht: Die Leute finden bei begrenzter Zeit effizientere Wege, Ergebnisse zu erzielen und steigern beispielsweise ihre mentale Gesundheit durch flexible Arbeitszeiten, was wiederum für eine Leistungssteigerung sorgen kann.

Also, liebe Arbeitnehmenden, arbeitet doch einfach schneller – lies: effizienter –, wenn ihr die Vier-Tage-Woche wollt! Und in diesem Sinne, liebe Arbeitgebenden, freut euch, wenn eure Leute weniger Zeit bei der Arbeit verbringen wollen.

Der Gastautor



Christoph Magnussen ist Gründer und Geschäftsführer der New-Work-Beratung Blackboat, die laut eigenen Angaben die Zusammenarbeit in Unternehmen nachhaltig stärkt.

Magnussen ist außerdem gefragter KI-Experte sowie Co-Host des Podcasts „On the Way to New Work“ und Co-Autor des gleichnamigen Buchs.

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