Mehr als ein Jahr haben die Ermittlungen der Mannheimer Staatsanwaltschaft gedauert - jetzt hat der frühere Mannheimer Bundestagsabgeordnete und ehemalige CDU-Kreisvorsitzende Nikolas Löbel einen Strafbefehl akzeptiert. Das hat die Staatsanwaltschaft auf Anfrage dieser Redaktion erklärt. In dem Strafbefehl geht es um Untreue in zwei Fällen im Zusammenhang mit zwei Mietverträgen in der früheren Geschäftsstelle des CDU-Kreisverbands. Außerdem um eine falsche eidesstattliche Versicherung Löbels bei einem Mietrechtsstreit, den er mit einem Bewohner seines privaten Mietshauses hatte.
„Der Rechtsmittelverzicht ist kein Schuldeingeständnis“, nahm Löbels Anwalt Till Dunckel von der Hamburger Kanzlei Nesselhauf Stellung auf eine entsprechende Anfrage des „MM“. Der aktuelle CDU-Kreisvorsitzende Christian Hötting erklärte auf Anfrage, der Kreisverband werde sich nun mit der Mitteilung der Staatsanwaltschaft „genauer auseinandersetzen, um einordnen zu können, was das rechtlich für uns als Kreisverband bedeutet“.
Ohne Prozess abgeschlossen
Der Strafbefehl ist mit einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verbunden. Die Tagessätze richten sich nach dem Einkommen der betroffenen Person. Die Höhe der Gesamtgeldstrafe nannte die Staatsanwaltschaft nicht. Durch das Akzeptieren eines Strafbefehls durch den Betroffenen kommt es zu keiner Gerichtsverhandlung. Das Strafverfahren gegen Löbel ist damit abgeschlossen, der Strafbefehl seit 17. Mai rechtskräftig, heißt es von der Staatsanwaltschaft. Die Schadenssummen der beiden Untreue-Vergehen betragen den Angaben zufolge 8400 Euro sowie 2850 Euro. Bei der letztgenannten Summe sei „eine Wiedergutmachung erfolgt“, so die Staatsanwaltschaft. Anwalt Dunckel erklärt, Löbel habe dem CDU-Kreisverband „den von der Staatsanwaltschaft angenommenen wirtschaftlichen Nachteil erstattet“.
Wie genau die Straftat der Untreue in den beiden genannten Fällen abgelaufen ist, geht aus der Stellungnahme der Ermittlungsbehörde nicht hervor. Auch zum genauen Inhalt der falschen eidesstattlichen Erklärung im Mietstreit ist in der Mitteilung nichts zu lesen - die Staatsanwaltschaft macht auf erneute Nachfrage des „MM“ keine weiteren Angaben.
Das Ermittlungsverfahren gegen Löbel hatte die Staatsanwaltschaft Ende März 2021 eingeleitet. Bereits ein paar Wochen zuvor war der Politiker wegen umstrittener Provisionen im Zusammenhang mit Corona-Schutzmasken zurückgetreten. Bei diesen Masken-Geschäften hatte die zuständige Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart allerdings keinen Anlass für ein Ermittlungsverfahren gesehen - mit den Masken-Geschäften hat der jetzt ergangene Strafbefehl deshalb nichts zu tun.
Es geht bei diesem Strafbefehl vielmehr um unklare Vorgänge in der CDU-Kreisgeschäftsstelle, über die der damalige „MM“-Lokalchef Stefan Proetel erstmals im Herbst 2020 berichtet und dafür später den renommierten Henri-Nannen-Preis für Journalisten erhalten hatte. Die mutmaßlichen Unregelmäßigkeiten bezogen sich auf die Anmietung von Büros durch Löbel in der Kreisgeschäftsstelle. Dort, in der Elisabethstraße, befanden sich auch Löbels Wahlkreis- sowie das Büro seiner privaten Löbel Projektmanagement-Gesellschaft. Die damaligen CDU-Kreisvorstandsmitglieder Chris Rihm - inzwischen bei den Grünen - und Andreas Pitz hatten im Herbst 2020 nach Einsichtnahme in die Unterlagen ihre Ämter im Kreisvorstand mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Pitz sagte dieser Redaktion damals, dass er Dinge gesehen habe, von denen er nicht ausschließen könne, dass sie strafrechtlich relevant seien.
Wohl den letztendlichen Ausschlag für die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gab dann ein Schreiben mit dem Titel „Beobachtungen rund um die Geschäftsstelle“, das ein Parteimitglied im März 2021 an den CDU-Kreisvorstand übergab und das dieser dann wegen der schwierigen rechtlichen Bewertung an die Staatsanwaltschaft weiterleitete.
Löbel hatte nach den ersten Berichten dieser Redaktion über mutmaßliche Unregelmäßigkeiten im Oktober 2020 ein Gutachten zu den Mietverhältnissen in der Kreisgeschäftsstelle vorgelegt. Angefertigt hatte es ein renommierter Mannheimer Jurist. Der sah keine Anhaltspunkte für Rechtsverstöße, auch ein wirtschaftlicher Schaden ist dem Kreisverband damals laut dem Gutachter nicht entstanden. Das betont auch Löbel-Anwalt Dunckel, der zudem schreibt, dass auch das zweite, vom ersten unabhängige Gutachten „jeglichen wirtschaftlichen Nachteil des CDU-Kreisverbands Mannheim ausgeschlossen“ habe.
Weiteres Verfahren läuft
Damit bezieht er sich auf eine Untersuchung durch Wirtschaftsprüfer, die der CDU-Landesverband beauftragt hatte. Sie nahmen die Parteifinanzen - samt Arbeits- und Mietverträgen, wie es damals hieß - im vergangenen Jahr ebenfalls unter die Lupe. Das Ergebnis lag im Oktober 2021 vor. Die Prüfung zeige zwar einige organisatorische Handlungsempfehlungen auf, erklärte damals der CDU-Kreisvorstand. Es ergäben sich aus ihr aber weder strafbare Handlungen noch Verstöße gegen das Parteiengesetz.
In dem Mietstreit, in den die falsche eidesstattliche Versicherung Löbels fällt, ging es darum, dass der damalige Politiker seinem langjährigen Mieter gekündigt hatte. Der Grund: Der Mieter soll sich über Löbel abfällig und ehrverletzend geäußert haben. Löbel wurde damals bisweilen unterstellt, er habe den Mieter loswerden wollen, um dessen Wohnung zu sanieren und teurer weiterzuvermieten. Der Mieter gewann schließlich vor Gericht.
In der aktuellen Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom Freitag ist auch noch von einem „Ermittlungsverfahren gegen eine weitere Person im Zusammenhang mit dem Kreisverband Mannheim“ die Rede. Das laufe derzeit noch und werde „voraussichtlich zeitnah abgeschlossen“. Weitere Angaben, um wen es sich bei dieser Person handelt, machte die Staatsanwaltschaft nicht. Sie stellte nur klar: „Dieses Ermittlungsverfahren wird nicht gegen einen Rechtsanwalt oder Mandatsträger geführt.“ Das heißt: Es handelt sich um kein Mitglied der CDU-Gemeinderatsfraktion.
Darüber hinaus wird in der Mitteilung auch noch eine „Selbstanzeige einer Person im Zusammenhang mit dem CDU Kreisverband Mannheim“ erwähnt. Das Verfahren sei allerdings eingestellt worden.
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