Zeitzeichen Von Posern, Laubbläsern und Bartschneidern

Lärm bedeutet: Hier arbeitet etwas. Oder jemand. Georg Spindler sinniert darüber, was aber passiert, wenn diese Arbeit leise vonstattengeht.

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Georg Spindler
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Der Ton macht bekanntlich die Musik. Das wissen vor allem unsere Auto-Poser. Bei ihnen muss die Karre brüllen wie ein Raubtier, so als säße der Tiger im Tank, den einst ein Ölkonzern als Werbefigur nutzte. Doch ohne dröhnende Motoren und den Stolz aufs dickste Abgasrohr dürften viele Pkw-Protzer sich gepeinigt fühlen wie entmannt. Diesen urmännlichen Schmerz mögen auch manche Heavy-Metal-Fans fürchten. Denn wenn ihre dezibelstark loslegenden Lieblingsbands nur zimmerleise spielen müssten, würden die meisten klingen, als hätte man sie kastriert.

Der richtige Sound – laut und brausend – muss also sein. Denn er transportiert so viel Gefühl. Dies gilt selbst für einen profanen, kleinen Elektro-Rasierer. Die meisten Fabrikate verrichten ihre Zweckbestimmung mit der fräsenden Sonorität eines Rasenmähers. Man hört’s und spürt, wie unterm Scherkopf die scharfen Messer raspeln. Im Gestrüpp der Bartbehaarung kappen sie die Stoppeln, einer Motorsäge gleich, die in einem verwilderten Garten Äste und Zweige knarzend zerbricht und Ordnung schafft.

Die Kraft der Arbeit, man muss sie eben hören. Im Motor eines Verbrennerautos, wo die Kolben schuften, aber auch beim Laubbläser. Wer nur geräuscharm den Besen schwingt, dem nimmt man die Mühsal der Plackerei nicht ab. Aber es droht Ungemach: Bartschneider auf dem neuesten Stand der Technik schnurren nur noch sanft. Moderne Staubsauger tun leise ihre Arbeit. Und die lautlosen E-Autos (auch noch ohne Auspuffrohre!) werden Poser in den Wahnsinn treiben. Jetzt wär’s nur noch schön, wenn jemand einen geräuscharmen Laubbläser erfinden würde. Eine stille Hoffnung.

Redaktion