Kein Tageslicht fällt in den Raum, in dem Sasha im Berliner Büro seiner Plattenfirma einen Interview-Marathon absolvieren muss. Das scheint den Sänger aber nicht zu stören. Gut gelaunt redet er über sein Album „Schlüsselkind“, für das der 46-Jährige erstmals deutschsprachige Songs geschrieben hat. Musikalisch bewegt er sich lässig zwischen Power-Pop, Soul, Funk und gefühlvollen Balladen. Die Texte leben vom gradlinigen Erzählen – etwa, wenn der gebürtige Westfale in der Nummer „Gorilla“ sein inneres Biest herauslässt. Am 5. Oktober versucht Sasha das im Mannheimer Rosengarten auch auf der Bühne.
Sasha, immer mehr deutsche Musiker wie etwa Sarah Connor singen in ihrer Muttersprache. Dachten Sie, da müssten Sie jetzt mit Ihrer CD „Schlüsselkind“ nachziehen?
Sasha: Ach was. Die deutsche Sprache begleitet mich ja schon ein Leben lang. Als Junge habe ich immer „Hitparade“ geguckt, wo bloß deutsche Künstler stattgefunden haben. Das hat sich bei mir eingebrannt. Mit meiner ersten Band Bad To The Bone habe ich oft deutsche Musiker gecovert: Die Ärzte, Westernhagen, Grönemeyer. Meine zweite Gruppe hieß Junkfood. Wir haben uns Mitte der 90er Jahre an zwei, drei deutsche Lieder herangetastet, weil ich Bands wie Selig oder Nationalgalerie so toll fand. Doch letztlich hat sich das Deutsche bei mir nicht gegen das Englische als Singsprache durchsetzen können.
Hat es Sie denn nach Ihren ersten Erfolgen als Solokünstler überhaupt nicht gereizt, sich an deutschen Stücken auszuprobieren?
Sasha: Hier und da gab es mal einen Versuch, etwas auf Deutsch zu schreiben. Dabei kamen allerdings nur lustige Lieder heraus, die sich irgendwo zwischen Die Ärzte und Die Doofen bewegt haben. Das wollte ich lieber nicht veröffentlichen. Vor meiner Teilnahme an der ersten „Sing meinen Song“-Staffel spielte ich dann aber ernsthaft mit dem Gedanken, endlich ein deutschsprachiges Album herauszubringen. Bis Xavier Naidoo, Gregor Meyle und jede Menge anderer Leute dauernd zu mir sagten: „Du hörst dich auf Deutsch super an. Mach’ was draus!“ Das ist mir zu viel geworden. Plötzlich hatte ich Bedenken. Die Zeit schien mir noch nicht reif für dieses Projekt zu sein. Erst vor zwei Jahren hat es sich absolut richtig angefühlt.
Weil Ihre Zweifel vom Tisch waren?
Sasha: Na ja, eine Hürde lag noch vor mir: Ich musste den ersten deutschen Song nicht nur schreiben, sondern singen. Mit geschlossenen Augen stand ich vor dem Mikrofon und fragte mich: Fühlt sich das beim Singen komisch an? Was werden meine Co-Autoren Robin Grubert und Ali Zuckowski wohl dazu sagen? Als ich fertig war, drehte ich mich zu den beiden um. Sie grinsten über das ganze Gesicht. Da wusste ich: Wir sind auf einem guten Weg.
Ihre neuen Lieder sind sehr persönlich. In „Zwei Herzen“ beschreiben Sie sich als einen Menschen, der mit dem Kopf in den Wolken und mit den Füßen am Boden ist.
Sasha: Mütterlicherseits stamme ich aus einer Schaustellerfamilie, das Reisen liegt mir also im Blut. Auf der anderen Seite steckt der bodenständige Westfale aus Soest in mir, der gern an einem Ort bleibt. Diese zwei Facetten meiner Persönlichkeit haben früher im Clinch gelegen, heute akzeptiere ich sie einfach. Wenn ich drei Tage unterwegs bin, kriege ich halt Heimweh. Und wenn ich drei Tage zuhause bleibe, muss ich unbedingt wieder los.
Trotzdem gibt es Momente, in denen Sie Ihren inneren „Gorilla“ rauslassen.
Sasha: Das passiert zum Glück sehr selten. Ich denke, ich bin meinem verstorbenen Onkel recht ähnlich. Er war ein kräftiger Mann mit einem gutmütigen Wesen – relativ schwer reizbar. Solange man es nicht übertrieben hat... Dann durfte man ihn nicht erleben... Auf die Familie zum Beispiel hat er nichts kommen lassen, er hat sie bedingungslos beschützt. Auch wenn das in der heutigen Zeit, wo sich jeder nach Möglichkeit stets gut im Griff haben sollte, vielleicht nicht gerade angemessen erscheint. Dennoch muss man manchmal mit der Faust auf den Tisch hauen, damit jemand kapiert, dass er den Bogen überspannt hat. Bei mir kommt in so einer Situation eben der Gorilla raus. Der beruhigt sich aber relativ schnell wieder.
Heißt das, Ihr Gorilla symbolisiert in erster Linie Wut?
Sasha: Nicht nur. Der Gorilla kann genauso an einem Abend ausbrechen, an dem ich hemmungslos die Sau rauslasse und Spaß habe. Da tanze ich bis fünf Uhr morgens um den Tresen rum, ich trinke ordentlich. Solche Exzesse sind aber wirklich rar geworden.
Weil Sie sich ungeheuer diszipliniert auf Ihre Musik konzentrieren?
Sasha: Auch ich muss hin und wieder abschalten. Vor Kurzem war ich an einem Punkt, wo ich dringend eine Auszeit brauchte. Ich bin ein paar Tage mit meiner Frau an die Ostsee gefahren. Wir haben in einem schönen Hotel gewohnt, gut gegessen und sind am Meer spazieren gegangen – herrlich! Da wurde mir bewusst, wie dankbar ich dafür sein muss, dass ich inzwischen nicht mehr jeden Cent zweimal umzudrehen brauche.
Das war früher anders. Bevor Ihnen der Durchbruch als Musiker gelang, hielten Sie sich mit diversen Jobs über Wasser.
Sasha: Am liebsten habe ich in der Kneipe hinterm Tresen gestanden und Bier gezapft. Eine Weile arbeitete ich bei der Müllabfuhr. Das war zwar ein echter Knochenjob, aber gut bezahlt. Seither habe ich sehr viel Respekt für die Menschen, die diese Arbeit machen. Denn ich weiß genau, was es bedeutet, den Müll anderer Leute wegzuräumen.
Sasha
- Zur Person: Sasha wurde am 5. Januar 1972 als Sascha Schmitz in Soest geboren. Der Sohn einer Erzieherin aus einer Schaustellerfamilie und eines Bundeswehrkochs spielte schon während seiner Schulzeit in einer Band. Nach dem Abitur begann der talentierte Fußballer ein Sport- und Germanistikstudium, das er für die Musik abbrach. Der Durchbruch als Sänger gelang ihm 1998 mit dem Song „If You Believe“. Sein Debütalbum „Dedicated To...“ folgte noch im selben Jahr. 2003 erschien mit „Dick This!“ die erste CD seines Rockabilly-Projekts „Dick Brave & the Backbeats“, das extrem erfolgreich wurde. Mit seinen Freunden Xavier Naidoo, Rea Garvey und Michael Mittermeier geht der verheiratete Wahl-Hamburger regelmäßig unter dem Motto „Alive & Swinging“ auf Tournee. Bei der ersten Staffel von Naidoos VOX-Show „Sing meinen Song“ interpretierte Sasha erstmals vor großem Publikum deutsche Texte.
- Zum Album: Sein erstes deutschsprachiges Album „Schlüsselkind“ ist bei Universal erschienen.
- Zum Konzert: Sasha spielt am Freitag, 5. Oktober, 20 Uhr, im Mozartsaal des Mannheimer Rosengartens auf, Karten unter 01806/57 00 70 oder 0621/10 10 11 (58,40 bis 64,15 Euro plus Gebühren). DL
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